OGH-Entscheidung vom 22.9.2021, 4 Ob 138/21d

 

Sachverhalt:

Die Zahnärztekammer klagte einen Zahnarzt auf Unterlassung. In einer einzigen Klage wurden verschiedene Lauterkeitsverstöße geltend gemacht: Werbung für die Hersteller und Vertreiber medizinischer Produkte, Werbeankündigungen, Bezeichnung als Fachexperte sowie Werbung in Fernsehsendern.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Zahnarztes nicht Folge. Die ordentliche Revision lies es nicht zu. Zudem sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 5.000 EUR übersteige, nicht jedoch 30.000 EUR (weshalb eine außerordentliche Revision an den OGH in diesem Fall nicht möglich ist). Die einzelnen Spruchpunkte stünden in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang und seien daher nicht zusammenzurechnen. Die Bewertung habe für jeden behaupteten Verstoß selbstständig zu erfolgen.

Der OGH befand die dennoch erhobene „außerordentliche Revision“ des Beklagten folglich für unzulässig. Mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen bilden nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind. Danach sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie alle aus demselben Sachverhalt abgeleitet werden können. Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dieser Zusammenhang besteht dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann.

Im vorliegenden Fall machte die Klägerin verschiedene Wettbewerbsverstöße geltend. Bereits in der Klage bezog sie sich auf unterschiedliche Sachverhalte, einerseits auf eine Anzeige in den Bezirksblättern, andererseits auf unterschiedliche Beiträge auf der Website des Beklagten, sowie auf ein Werbevideo. Der tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang wurde daher vom OGH verneint. Der Wert des Entscheidungsgegenstands der jeweiligen Ansprüche liegt daher zwischen 5.000 und 30.000 EUR. Nach § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – mit Ausnahmen – jedenfalls unzulässig, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt hat. In diesem Fall kann eine Partei gemäß (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Erhebt eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Der OGH darf nur darüber entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dem OGH fehlte daher die funktionelle Zuständigkeit.

 

 

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