OGH-Entscheidung vom 20.10.2020, 4 Ob 158/20v

 

Sachverhalt:

Die Beklagte ist eine deutsche GmbH mit Sitz in Berlin. Sie verkauft individuell angefertigte Zahnschienen aus Kunststoff samt Behandlungsplan, der durch Zahnärzte erstellt wird. Die Mehrheit ihrer Gesellschafter ist nicht zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs berechtigt.

Die Beklagte bewirbt ihr Angebot auf ihrer Website, die auch auf den österreichischen Markt ausgerichtet ist (Verweis auf Standort in Wien; Verweis auf Kooperationszahnarzt in Österreich). Auf der Website sind auch die Kosten für die Leistungen der Beklagten angegeben. Mit ihren Kunden schließt die Beklagte Verträge ab, die konkrete Leistungen enthalten. Bei Abweichungen vom normalen Behandlungsverlauf erfolgt eine Begutachtung durch einen Kooperationszahnarzt.

Die Österreichische Zahnärztekammer klagte auf Unterlassung wegen unlauteren Rechtsbruchs gem. § 1 Abs 1 Z 1 UWG und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH befand den Revisionsrekurs der Beklagten zur Klarstellung der Rechtslage zwar für zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Nach Art 3 lit e der Werbe-RL (Werberichtlinien der österreichischen Zahnärztekammer) ist die Nennung des Preises für privatzahnärztliche Leistungen in der Öffentlichkeit standeswidrig und damit unzulässig, außer in jenen Fällen, in denen die Angabe des Preises gesetzlich vorgeschrieben ist. Das Werbeverbot gilt nach der Rechtsprechung des OGH auch für Angehörige eines freien Berufsstands mit Sitz im Ausland, die im Inland tätig werden (wofür Werbemaßnahmen ausreichen). Mit den beanstandeten Werbeankündigungen auf ihrer Website verstößt die Beklagte daher das Werbeverbot.

Dem Argument der Beklagten, wonach eine Angabe des Preises gesetzlich vorgeschrieben sei, stimmte der OGH nicht zu. Beim Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) handelt es sich um die Umsetzungsnorm zur Verbraucherrechte-RL 2011/83/EU. Gesundheitsdienstleistungen der hier vorliegenden Art sind vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie jedoch ausgeschlossen. Auf die Verbraucherrechte-RL kann sich die Beklagte damit nicht stützen.

Auch gem. § 1 Abs 2 Z 3 FAGG gilt dieses Gesetz nicht für Verträge über Gesundheitsdienstleistungen, dies aber mit Ausnahme des Vertriebs von Arzneimitteln und Medizinprodukten im Fernabsatz. Diese Gegenausnahme ist jedoch eng auszulegen und gilt für den Vertrieb von Arzneimitteln und Medizinprodukten nur für den reinen Verkauf standardisierter Massenprodukte, aber nicht für individuell angefertigte oder angepasste Medizinprodukte. Die Tätigkeit der Beklagten fällt daher unter die Ausnahme (nicht aber unter die Gegenausnahme) des § 1 Abs 2 Z 3 FAGG, weshalb dieses Gesetz auf den Anlassfall nicht anzuwenden ist. Die Beklagte kann die Preisangaben auf ihrer Website daher nicht auf die Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 4 FAGG zur Angabe des Gesamtpreises stützen.

Zur Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit in Österreich hielt der OGH fest, dass die vertraglichen Leistungen der Beklagten nach dem bescheinigten Sachverhalt auch die Herstellung und Beurteilung des Abdrucks (die Gebissanalyse) umfassen, ebenso die Kontrolle des Behandlungsverlaufs und erforderlichenfalls die Anpassung des Behandlungsplans nach erfolgter Begutachtung, die von einem österreichischen Kooperationszahnarzt vorgenommen werden, mit dem die Beklagte einen Kooperationsvertrag geschlossen hat. Der Kooperationszahnarzt wird damit als Erfüllungsgehilfe der Beklagten tätig. Die von ihm erbrachte Tätigkeit ist der Beklagten zuzurechnen und wird unstrittig in Österreich ausgeübt.

Eine (selbständig berufsbefugte) zahnärztliche Gruppenpraxis darf zwar auch in der Rechtsform einer GmbH betrieben werden, die Gesellschafter müssen aber zur selbständigen Berufsausübung berechtigte Angehörige des zahnärztlichen Berufs sein. Die Beklagte entspricht den Anforderungen nach § 26 Abs 3 ZÄG nicht, weil auch standesfremde Personen Gesellschafter sind. Die Tätigkeit der Beklagten in Österreich, die sie über einen österreichischen Kooperationszahnarzt ausübt, greift damit in den Zahnärztevorbehalt ein.