OGH-Entscheidung vom 22.9.2020, 4 Ob 126/20p

 

Sachverhalt:

Die Streitparteien sind beide Vermögensberater und Versicherungsmakler. Der Beklagte war zunächst als vertraglich gebundener Vermittler für die Klägerin tätig. Er kündigte das Vertragsverhältnis zur Klägerin und kam bei einem Gespräch mit der Klägerin überein, dass die Kunden selbst entscheiden sollen, welchen Betreuer sie zukünftig haben möchten.

Nach Beendigung seiner Tätigkeit für die Klägerin teilte der Beklagte den bisher von ihm betreuten Kunden mit, dass eine weitere Betreuung durch ihn nur unter einem anderen Haftungsdach möglich sei. Dazu erklärte er, dass die Kunden schriftlich mitteilen könnten, wenn sie keinen Kontakt mehr mit der Klägerin haben und die Vollmacht zu dieser kündigen möchten. Zudem verwies er darauf, dass ein Betreuerwechsel der freien Entscheidung des Kunden obliege. Gleichzeitig versandte er an seine bisherigen Kunden ein vorformuliertes Muster-Kündigungsschreiben. In der Folge retournierten 121 früher vom Beklagten betreute Kunden das Musterschreiben an den Beklagten, der diese gesammelt per Telefax an die Klägerin übermittelte.

Diese klagte daraufhin auf Unterlassung und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren ab. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge und erließ die beantragte Einstweilige Verfügung. Der OGH befand den Revisionsrekurs des Beklagten für zulässig und auch berechtigt.

Das Ausspannen von Kunden ist für sich allein nicht unlauter. Erst durch Hinzutreten besonderer Umstände, die den Leistungswettbewerb verfälschen, wird ein lauterkeitsrechtlich verpöntes Verhalten verwirklicht. Solche Umstände sind nach der Rechtsprechung etwa das Verwenden von Kundenlisten oder das Ausnützen von Geschäftsgeheimnissen auf unlautere Weise, das Anschwärzen des Mitbewerbers oder Stimmungsmache gegen diesen oder der Einsatz irreführender Geschäftspraktiken.

Auch die Verleitung zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung ist nicht schlechthin unlauter, sondern nur dann, wenn verwerfliche Mittel angewandt werden. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn die Aktion darauf ausgerichtet ist, den Mitbewerber zu behindern. Bloße Kündigungsberatung ist jedoch nicht unlauter.

Unter Berücksichtigung von Unternehmer-, aber auch Verbraucher- und Allgemeininteressen ist zu beurteilen, ob der Kunde durch die Kündigungshilfe zur Vertragskündigung in Fällen verleitet wird, in denen die Kündigung in Wahrheit nicht gewollt sei. Werde aber die freie Entscheidung des Kunden nicht unsachlich (vor allem ohne unsachliche Lockmittel oder irreführende Geschäftspraktiken) beeinflusst, sondern dieser nur dabei unterstützt, einen selbst gefassten Entschluss umzusetzen, so könne die Kündigungshilfe für den Kunden eine willkommene Serviceleistung sein.

Nach dem bescheinigten Sachverhalt hat der Beklagte kein verwerfliches Mittel eingesetzt, das die Grenze des Leistungswettbewerbs überschritten hat. Im vorformulierten Kündigungsschreiben finden sich weder negative Äußerungen über die Klägerin, noch unsachliche Lockmittel oder irreführende Angaben. Der Beklagte hat mit dem vorformulierten Musterschreiben vielmehr nur die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung umgesetzt, wonach sich die Kunden frei entscheiden können, von welchem Berater sie in Zukunft betreut werden wollen. Dass durch diese nicht zu beanstandende Kündigungshilfe die Vornahme der Kündigung faktisch erleichtert wurde, beeinflusst den Leistungswettbewerb nicht. Der OGH stellte die abweisende Entscheidung des Erstgerichts daher wieder her.