OGH-Entscheidung: OGH 9.7.2013, 4 Ob 68/13y

Sachverhalt:

Eine Optikerkette mit österreichweit 100 Filialen bewarb im Frühjahr 2012 in einem TV-Werbespot, der im österreichischen Fernsehen und in österreichischen Werbefenstern deutscher Fernsehsender geschaltet wurde, eine Preisnachlassaktion.

In dem Werbespot wurde für vier Sekunden lang (in den Sekunden 15 bis 19 des Spots) eine Einblendung auf grauem Hintergrund in weißen groß gehaltenen Buchstaben mit folgenden in großer grüner Schrift gehaltenen Worten: „Sparen Sie jetzt 100“ und direkt unterhalb dieses Betrags in – auch im Vergleich zu obigem Hinweis „Sparen Sie jetzt“kleinerer, allerdings gut lesbarer weißer Schrift, der Hinweis „gültig beim Kauf einer optischer Brille (Fassung + Gläser) ab 200,-“. Sowohl die Ankündigung des Angebots als auch diese Einschränkung wurden zeitgleich für vier Sekunden eingeblendet, wobei die Preisangabe „100,-„ zusätzlich hervorgehoben wurde, in dem sie gleichsam in einem kurzen Aufblinken herangezoomt wurde. Gleichzeitig spricht die Stimme eines Mannes: „Sparen Sie jetzt 100 EUR und mehr bei jeder Brille! 100 x in Österreich!“.

Der VKI (Verein für Konsumenteninformation) klagte daraufhin u.a. auf Unterlassung, da dieser Rabatt tatsächlich nur bei Überschreitung eines bestimmten Mindestpreises, etwa von 200 EUR für Fassung und Gläser, gewährt wurde und nicht beim Kauf „jeder Brille“.

Entscheidung:

Während Erst- und Berufungsgericht die Klage abwiesen, gab der OGH der außerordentlichen Revision des Klägers statt.

Beim Irreführungstatbestand ist zu prüfen,
a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht,
b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob
c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Interessenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.

Maßgebend ist das Verständnis der von der Werbung angesprochenen Kreise; hier also Verbraucher, die Brillen kaufen wollen oder müssen. Der Bedeutungsinhalt von Äußerungen richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt. Der Gesamteindruck ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Gesamtinhalt der Ankündigung, weil der Gesamteindruck durch einzelne Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt sind, bereits entscheidend geprägt werden kann. Von einem Blickfang wird gesprochen, wenn in einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu den sonstigen Angaben besonders herausgestellt sind; sie dürfen für sich allein genommen nicht zur Irreführung geeignet sein.

Im vorliegenden Fall hätte es eines deutlich wahrnehmbaren Hinweises auf die weiteren einschränkenden Voraussetzungen für den angekündigten Rabatt bedurft, um einem irreführenden Gesamteindruck entgegenzuwirken. Ein aufklärender Hinweis kann eine Täuschung durch eine – wie hier – umfassend formulierte und daher in ihrer Unvollständigkeit irreführungsgeeignete Werbeaussage nur verhindern, wenn er von den angesprochenen Verkehrskreisen auch wahrgenommen wird. Das setzt im Regelfall gleiche Auffälligkeit voraus. Gleiche Auffälligkeit ist nicht erst dann gegeben, wenn die Schriftgröße übereinstimmt. Maßgebend ist vielmehr, ob ein durchschnittlich informierter, verständiger Verbraucher den aufklärenden Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussage konfrontiert wird.

Der bloß für vier Sekunden eingeblendete Hinweis ist – obwohl durchaus wahrnehmbar – im Gesamtzusammenhang so unauffällig, dass auch der der Maßfigur entsprechende Verbraucher ihn letztlich kaum zur Kenntnis nehmen wird. Im Gegensatz zum Rabatt-Text wurde der aufklärende Hinweis dem Publikum auch nicht akustisch zur Kenntnis gebracht.

Der beanstandete Werbespot wurde daher vom OGH als irreführend beurteilt.