OGH-Entscheidung: OGH 23.05.2013, 4Ob29/13p

Sachverhalt:

Die im vorliegenden Fall beklagte Gesellschaft hat ihren Sitz in Tschechien und betreibt eine Versandapotheke. Dafür richtete sie unter den Domain-Namen „vfg-apotheke.at“ und „zurrose.at“ deutschsprachige Internetseiten ein, auf denen Arzneimittel online bestellt werden konnten.

An zahlreichen Stellen der Internetseiten verwies die Beklagte auf Österreich bzw hob einen entsprechenden Österreich-Bezug hervor. Beispielsweise befand sich auf der Startseite die hervorgehobene Überschrift „VfG Versandapotheke für Österreich“.
Gleich darunter wurde ausgeführt: „Ihre Versandapotheke für Österreich bietet Qualität zu günstigen Preisen. Positive Testberichte von unabhängigen Instituten, bequeme Bezahlung und schneller Versand.“
Der Link „Versandkosten“ enthielt folgende Hinweise: „Die Lieferung erfolgt ausschließlich innerhalb Österreichs, da die Lieferung von in Österreich zugelassenen Präparaten ins Ausland rechtlich nicht zulässig ist.“ „Schneller Versand mit österreichischer Post AG“
Unter dem Menüpunkt „So bestellen Sie“ wurden eine österreichische Telefonnummer und eine österreichische Faxnummer angeführt; als Postadresse für schriftliche Bestellungen wurde „VfG Versandapotheke, Postfach 151, 1014 Wien“ genannt.
Über den Link „Partnerprogramm“ öffnete sich eine Seite unter anderem mit folgendem Text: „VfG Österreich ist eine der ersten Versandapotheken für die Region Österreich im Internet.“

Dass der Versender tatsächlich eine tschechische Apotheke ist, ergab sich in beiden Internetauftritten nur aus den über einen Link erreichbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen und aus dem Impressum. Dort wird auch eine „verantwortliche Apothekerin“ namentlich genannt und ausgeführt, dass deren „gesetzliche Berufsbezeichnung“ „Apothekerin (verliehen in Tschechien)“ sei.

Die Klägerin, die Österreichische Apothekerkammer, klagte auf Unterlassung. Der Beklagten solle es untersagt werden, im geschäftlichen Verkehr den Eindruck zu erwecken, die von ihr betriebene Versandapotheke […] habe ihren Sitz in Österreich.

Entscheidung:

Der OGH sprach aus, dass eine irreführende Geschäftspraktik iSd § 2 UWG vorliegt.

Sowohl die Internetauftritte als auch die Werbung der Beklagten richten sich an Verbraucher, die am Kauf rezeptfreier Arzneimittel interessiert sind. Diese werden nach dem maßgebenden Gesamteindruck ohne jeden Zweifel annehmen, dass es sich bei der Beklagten um eine österreichische Internetapotheke handelt. Das Wissen, dass es solche Apotheken im Inland nach derzeitiger Rechtslage nicht geben kann, kann zumindest einem beträchtlichen Teil der angesprochenen Kreise nicht unterstellt werden. Daher werden sie aus den ausschließlich österreichischen Kontaktdaten, der auf Österreich weisenden Top-Level-Domain und der mehrfachen verbalen und nonverbalen Bezugnahme auf Österreich („Versandapotheke für Österreich“; „Lieferung erfolgt ausschließlich innerhalb Österreichs, da die Lieferung von in Österreich zugelassenen Präparaten ins Ausland rechtlich nicht zulässig ist“; Lieferung „durch die österreichische Post“; „Großeinkauf von original österreichischen Markenartikeln“; rot-weiß-roter Hintergrund in der Zeitungswerbung) ohne jeden Zweifel ableiten, dass es sich bei der Beklagten um ein österreichisches Unternehmen handelt. Für den OGH steht außer Frage, dass die Beklagte die Verschleierung ihres tatsächlichen Sitzes geradezu anstrebt. Besonders deutlich wird das etwa bei der Auflösung des in der tschechischen Firma der Beklagten enthaltenen Akronyms („Vfg“) durch eine deutschsprachige Formulierung („Versandapotheke für Gesundheit“).

Die Aufklärung im Impressum und in den den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht geeignet, die Irreführungseignung zu beseitigen. Denn aufklärende Hinweise können eine Täuschung durch eine ansonsten irreführende Werbeaussage nur verhindern, wenn sie von den angesprochenen Verkehrskreisen, die mit der Werbeaussage konfrontiert sind, auch wahrgenommen werden. Vom Durchschnittsverbraucher, der aus dem Gesamteindruck eines Geschäftsauftritts beinahe zwingend ableiten muss, es mit einem österreichischen Unternehmen zu tun zu haben, ist aber nicht zu erwarten, dass er dies durch Einsicht in die Geschäftsbedingungen und in das Impressum einer Website verifiziert. Vielmehr liegt nahe, dass er – über die ausschließlich österreichischen Kontaktdaten – sofort seine Bestellungen tätigt.

Es ist auch unerheblich, dass es vergleichbare inländische Unternehmen nicht gibt, weil derzeit nur der Versand von Arzneimitteln nach Österreich, nicht aber innerhalb Österreichs zulässig ist. Denn die Kenntnis dieses Umstande kann dem Durchschnittsverbraucher nicht unterstellt werden.