EuGH-Urteil vom 12.10.2016, Rechtssache C‑166/15

Sachverhalt:

Die Beklagten verkauften im Zeitraum von drei Jahren verschiedene von der Microsoft Corp. herausgegebene urheberrechtlich geschützte Computerprogramme auf einem Online-Marktplatz, darunter Versionen von Microsoft Windows und Microsoft-Office-Programme. Insgesamt sollen mehr als 3.000 auf diese Weise verkauft worden sein. Der genaue Erlös konnte im Verlauf der Ermittlungen nicht mit Sicherheit festgestellt werden; er wurde jedoch auf ca. 300.000 US-Dollar (USD) geschätzt.

Die Beklagten wurden zunächst strafrechtlich verurteilt. Das Regionalgericht Riga (Strafkammer) beschloss im Rechtsmittelverfahren, das Verfahren auszusetzen und den EuGH vorab zu fragen, ob der Erwerber einer auf einem Datenträger gespeicherten benutzten Kopie eines Computerprogramms, die kein Original ist, eine solche Kopie weiterverkaufen kann, wenn zum einen der dem Ersterwerber gelieferte körperliche Originaldatenträger des Programms beschädigt wurde und zum anderen der Ersterwerber sein Exemplar der Kopie gelöscht hat oder es nicht mehr verwendet.

Entscheidung:

Der EuGH verneinte die Vorlagefrage(n):

Art. 4 Buchst. a und c und Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 91/250/EWG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen sind dahin auszulegen, dass der Ersterwerber der mit einer Lizenz zur unbefristeten Nutzung verbundenen Kopie eines Computerprogramms zwar berechtigt ist, die benutzte Kopie und seine Lizenz an einen Zweiterwerber zu verkaufen, doch darf er, wenn der körperliche Originaldatenträger der ihm ursprünglich gelieferten Kopie beschädigt oder zerstört wurde oder verloren gegangen ist, seine Sicherungskopie dieses Programms dem Zweiterwerber nicht ohne Zustimmung des Rechtsinhabers übergeben.

Grundsätzlich ist mit dem Erstverkauf einer Kopie eines Computerprogramms in der EU durch den Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung das Recht auf die Verbreitung dieser Kopie in der Union erschöpft. Der rechtmäßige Erwerber der Kopie eines Computerprogramms darf dieses Programm folglich gebraucht verkaufen, sofern dieser Verkauf nicht das dem Rechsinhaber zustehende ausschließliche Vervielfältigungsrecht beeinträchtigt.

Die Erstellung einer Sicherungskopie darf einer berechtigten Person nicht vertraglich untersagt werden, wenn sie für die Benutzung erforderlich ist. Die Erstellung einer Sicherungskopie eines Computerprogramms ist somit an zwei Bedingungen geknüpft. Sie muss zum einen von einer Person erstellt werden, die zur Benutzung dieses Programms berechtigt ist, und zum anderen für die Benutzung erforderlich sein. Diese Bestimmung, die eine Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Inhabers des Urheberrechts an einem Computerprogramm vorsieht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen.

Daraus folgt, dass eine Sicherungskopie eines Computerprogramms nur für den Bedarf der zur Benutzung dieses Programms berechtigten Person erstellt und benutzt werden darf, so dass die betreffende Person diese Kopie, auch wenn sie den körperlichen Originaldatenträger des Programms beschädigt, zerstört oder verloren haben sollte, nicht zum Zweck des Weiterverkaufs des gebrauchten Programms an einen Dritten verwenden darf. Daher darf der rechtmäßige Erwerber einer mit einer Lizenz zur unbefristeten Nutzung verbundenen Kopie eines Computerprogramms mangels Zustimmung des Rechtsinhabers die erstellte Sicherungskopie dieses Programms nicht mit der Begründung an einen Zweiterwerber veräußern, dass er den ihm vom Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung verkauften körperlichen Originaldatenträger beschädigt, zerstört oder verloren habe.