OGH-Entscheidung vom 23.2.2016, 4 Ob 249/15v
Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt ein österreichisches Privatradio, das sie terrestrisch ausstrahlt und im Internet im Weg des Streaming abrufbar macht. Bei Zugang zu den Programmen über die Startseite der Klägerin oder über die von ihr zur Verfügung gestellte App, erscheint vor Beginn des jeweiligen Streams ein Werbespot („Preroll-Werbung“), mit dem die Klägerin Einnahmen erzielt.
Die in Deutschland ansässige Beklagte stellt auf einer Internetplattform eine Vielzahl von Links zu frei zugänglichen Streams von Digitalradioanbietern zur Verfügung. Nach Anklicken eines Links, aber vor Hörbarwerden des gewählten Programms, schaltet sie ebenfalls einen Werbespot, mit dem sie selbst Einnahmen erzielt. Das geschieht auch beim Anklicken von Links, die zu den Angeboten der Klägerin führen. Diese Links zielen direkt auf den jeweiligen Stream, wodurch für den Nutzer die Preroll-Werbung der Klägerin nicht sichtbar wird. Die Klägerin hat dieser Verlinkung ausdrücklich widersprochen und klagte u.a. auf Unterlassung.
Entscheidung:
Nach uneinheitlichen Entscheidungen der Vorinstanzen gab der OGH dem Klagebegehren insofern statt, als die Beklagte es von nun an zu unterlassen hat, online abrufbare Radioprogramme der klagenden Partei in Österreich über Links auf ihrer Website oder in von ihr zur Verfügung gestellter Zugangssoftware (‚Apps‘) zeitgleich abrufbar zu machen, wenn dadurch eine von der klagenden Partei auf der eigenen Website oder in eigener Zugangssoftware vor den Beginn des Abspielens dieser Programme geschaltete Preroll-Werbung umgangen wird.
In seiner Begründung stützte sich der OGH unter anderem auf ein Urteil des EuGH (C-466/12, Svensson), wonach eine öffentliche Wiedergabe nur dann vorliegt, wenn das Werk dadurch einem „neuen Publikum“ zugänglich gemacht wird. Das trifft nicht zu, wenn die Verlinkung zu einem Werk erfolgt, das auf einer anderen Website frei zugänglich ist. Nicht frei zugänglich ist das Werk dann, wenn es auf der verlinkten Website überhaupt nicht mehr oder nur für einen beschränkten Benutzerkreis (zB Abonnenten) zur Verfügung steht; aus solchen Zugangsbeschränkungen ist zu schließen, dass der Urheber das Werk nicht für alle Internetnutzer zugänglich machen will.
Im Ergebnis hielt der OGH daher fest, dass die Verlinkung auf das Programm eines Web-Radios dann zur Zugänglichkeit des verlinkten Inhalts für ein neues Publikum führt und daher unter das Senderecht nach § 76a UrhG fällt, wenn dadurch Bedingungen – etwa die Zahlung eines Entgelts oder das Abwarten einer vom Rechteinhaber geschalteten Preroll-Werbung – umgangen werden, die bei einem Zugriff über die Website des Rechteinhabers oder über von ihm zur Verfügung gestellte Zugangssoftware (Apps) zu erfüllen wären. Dass diese Inhalte theoretisch auch ohne die Verwendung des Links unter Umgehung dieser Bedingungen erreicht werden könnten, reicht für sich allein nicht aus, um die Zulässigkeit der Verlinkung zu begründen.