OGH-Urteil vom 21.10.2014, 4 Ob 129/14w

Sachverhalt:

Die Streitparteien stehen im Wettbewerb auf dem Markt für Gratiszeitungen. Die Beklagte, Medieninhaberin der Gratiszeitung „Heute“ warb mit einer „Rekord-Druckauflage“ für das Jahr 2013. Dabei wurden Zahlen für Österreich und Wien angegeben. Zum Vergleich wurden Zahlen für die Tageszeitung „Österreich“ angegeben. Demnach würde „Österreich“ mehr Zeitungen drucken, als gelesen werden. Anhand von Tabellen wurde außerdem dargestellt, dass „Österreich“ insgesamt weniger Leser pro Ausgabe habe, als „Heute“.

Die Werbung stellte sich wie folgt dar:

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heuteÖ2

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Klägerin, die Medieninhaberin von „Österreich“, beanstandete

1. die Werbung mit der „Rekorddruckauflage“, weil (a) dies nicht in jeder Hinsicht zutreffe und (b) der Eindruck erweckt werde, dass die Druckauflage der maßgebende Faktor für den Erfolg einer Zeitung sei; 

2. die Werbung mit Lesern pro Exemplar, wenn die Berechnung aufgrund von Daten aus verschiedenen Zeiträumen erfolge;

3. die (sinngemäße) Behauptung, dass es bei der Zeitung der Beklagten keine Restauflage gebe;

4. die Werbung mit Daten der Media-Analyse ohne Hinweis auf die Schwankungsbreiten.

Die Klägerin erhob insofern Unterlassungsbegehren und beantragt eine einstweilige Verfügung.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies das Unterlassungsbegehren zur Gänze ab. Das Rekursgericht erließ eine einstweilige Verfügung zu den Punkten 1(a) und (4) des Sicherungsantrags und bestätigte die Abweisung zu den Punkten 1(b), (2) und (3).

Der OGH erklärte den Revisionsrekurs der Klägerin für zulässig, weil die Irreführungseignung einer Werbung mit selbst errechneten Kennzahlen einer Klarstellung bedarf. Hinsichtlich Punkt 2 des Unterlassungsbegehrens wurde schließlich ebenfalls eine einstweilige Verfügung erlassen. Aus der Begründung:

Beim Irreführungstatbestand ist zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Interessenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Die Werbung mit den Leser-pro-Exemplar-Werten erfüllt diesen Tatbestand.

Wird mit Kennzahlen für den Werbewert einer Zeitung geworben, nimmt der Adressat der Werbung an, dass diese Zahlen entweder von einer unabhängigen Institution (insbesondere der ÖAK oder der Media-Analyse) veröffentlicht oder aber vom Werbenden aufgrund unstrittiger Grundlagen methodisch korrekt ermittelt wurden. Ersteres trifft hier nicht zu, weil weder die ÖAK noch die Media-Analyse Leser-pro-Exemplar-Werte veröffentlicht hatte. Diese wurden vielmehr von der Beklagten errechnet, wobei die angewendete Methode (Leser pro Ausgabe [LpA; Wert der Media-Analyse] dividiert durch verbreitete Auflage [Wert der ÖAK]) an sich schlüssig ist.

Dass die Beklagte die Berechnungsmethode in einem aufklärenden Hinweis falsch darstellte („verbreitete Auflage / LpA“), schadet nicht, weil nicht zu erwarten ist, dass ein relevanter Teil der Adressaten der Werbung den Widerspruch zwischen dieser Aussage und der unmittelbar davor stehenden (richtigen) Definition („Wie viele Menschen ein Exemplar einer Zeitung lesen“) erkannte.

Wohl aber werden die Adressaten der Werbung annehmen, dass der von der Beklagten ermittelte Wert auf Daten beruht, die jeweils für denselben Zeitraum erhoben wurden. Denn nur dann spiegelt die Berechnung tatsächliche Verhältnisse wider, die in einem bestimmten Zeitraum bestanden hatten. Bei nicht übereinstimmenden Erhebungszeiträumen führt die Berechnung demgegenüber zu einem rein fiktiven Wert, dessen Übereinstimmung mit realen Verhältnissen zufällig wäre. Ein solcher Fall liegt hier vor. Zwar zog die Beklagte für die Berechnung um die jeweils aktuellsten Daten von ÖAK und Media-Analyse heran. Diese Daten betrafen jedoch unterschiedliche Zeiträume, weswegen sich daraus keine aussagekräftigen Werte ermitteln ließen. Damit wurden die Adressaten der Werbung in relevanter Weise über die Aussagekraft der strittigen Kennzahl in die Irre geführt. Der klein gedruckte aufklärende Hinweis zu den Grundlagen der Berechnung legt nicht deutlich genug dar, dass die angegebenen Werte letztlich fiktiv sind.

Die Beurteilung des Rekursgerichts zu Punkt 1(b) des Sicherungsantrags wurde jedoch vom OGH bestätigt, da die Beklagte in der Werbung ohnehin ausgeführt hat, dass für erfolgreiche Werbung nicht zähle, wie viele Zeitungen ein Verlag drucke, „sondern einzig (!), wie viele Zeitungen gelesen werden“. Damit hat sie die Druckauflage nicht als allein maßgebendes Kriterium für den Erfolg ihrer Zeitung herausgestellt.