OGH-Entscheidung vom 17.7.2014, 4 Ob 34/14z
Sachverhalt:
Die Betriebsstätten des erstbeklagten Augenarztes und Kontaktlinsenoptikers sowie des zweitbeklagten Augenoptikers befinden sich in derselben Zimmerflucht eines Hauses. Es gibt zwei Eingänge, wobei deiner die Aufschrift „Optik Bereich“ trägt. Durch diesen Eingang gelangt man unmittelbar in den Verkaufsbereich des Zweitbeklagten. Im Zuge der Durchquerung des Verkaufsraums kann man in den Wartebereich des Erstbeklagten gelangen. Über der Tür ist ein Leuchtkasten mit einer auf den Augenarzt hinweisenden Aufschrift montiert, rechts neben der Tür ein gläsernes Ordinationsschild, unter anderem mit dem Hinweis auf eine Telefonnummer zur Terminvereinbarung. Der Zweitbeklagte benützt teilweise Apparate des Erstbeklagten mit.
Die Klägerin hat als Vereinigung österreichischer Optiker für ihre Mitglieder den Einkauf und die Werbung übernommen und steht mit dem Erstbeklagten als Kontaktlinsenoptiker und dem Zweitbeklagten als Augenoptiker im Wettbewerb. Sie brachte vor, die Beklagten würden auf unlautere Weise den Wettbewerb verzerren.
Entscheidung:
Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab.
Der OGH schloss sich den Vorinstanzen inhaltlich zwar größtenteils an, verwies das Verfahren aber schließlich zurück an das Erstgericht:
Jede Wettbewerbshandlung ist ihrer Natur nach geeignet, den Mitbewerber in seinem Streben nach Geschäftsabschlüssen und Gewinn zu beeinträchtigen. Nicht jeder Wettbewerb, der den Mitbewerber schädigt und verdrängt, ist daher schon ein „Behinderungswettbewerb“. Kunden zu gewinnen ist das legitime Ziel jeden Wettbewerbs. Zum unlauteren Kundenfang wird die Beeinflussung, wenn der freie Willensentschluss des Kunden beinträchtigt oder ausgeschlossen wird.
In einer früheren OGH-Entscheidung wurde die Kooperation eines Augenarztes mit einem im selben Haus tätigen Optiker in der Weise, dass Patientenrezepte über Rohrpost diesem Optiker zugeleitet wurden, als unlauter beurteilt. Der hier gegebene Sachverhalt ist jedoch anders gelagert. Patienten werden hier in ihrer Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Wahl des Optikers nicht behindert. Es ist ja nicht der Regelfall, dass unmittelbar nach Verlassen der Arztordination die unaufschiebbare Notwendigkeit oder der nicht zu beherrschende Drang besteht, sofort eine Brille oder einen sonstigen Sehbehelf kaufen bzw bestellen zu müssen. Eine lauterkeitsrechtlich relevante Beschränkung der Entscheidungsfreiheit der Patienten des Erstbeklagten war für den OGH daher nicht ersichtlich. Auch ein Abfangen von Kunden durch die räumliche Nahebeziehung konnte nicht erblickt werden, zumal die Patienten des Erstbeklagten nicht daran gehindert werden, andere Optikergeschäfte als jenes des Zweitbeklagten aufzusuchen.
Von Relevanz ist jedoch das Ärztegesetz und die Richtlinie „Arzt und Öffentlichkeit“:
Nach § 53 Abs 1 Ärztegesetz hat sich der Arzt jeder unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten. Ist das dem Erstbeklagten vorwerfbare standeswidrige Verhalten geeignet, dem Beklagten einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor seinen Mitbewerbern zu verschaffen, so begründet es einen Verstoß gegen § 1 UWG. Gemäß Art 3 lit d der RL „Arzt und Öffentlichkeit“ ist Werbung für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige medizinische Produkte sowie für deren Hersteller und Vertreiber eine das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information, die dem Arzt untersagt ist.
Die festgestellte Raumsituation (getrennte Eingänge, die in ihrer Beschriftung auf Zugänge zu verschiedenen Unternehmen hinweisen, samt Durchgangsmöglichkeit aus dem Optikerraum in den Wartebereich der Ordination, gemeinsame Nutzung der Refraktionseinheit) stellt noch keine Propaganda des Arztes für den Optiker dar. Wenn sich Patienten der Einfachheit halber (um sich einen weiteren Weg zu ersparen) nach der Behandlung oder Kontrolle durch den Erstbeklagten zwecks Anschaffung eines Sehbehelfs zum Zweitbeklagten begeben, liegt dies naturgemäß in den räumlichen Verhältnissen an sich, nicht aber in einer „Werbung“ des Erstklägers. Die beschriebene Raumsituation lässt es auch nicht zu, von einer „gemeinsamen Praxis“ der Beklagten aus Sicht der Kunden/ Patienten zu sprechen, zumal etwa ein gemeinsamer Empfang/Sekretariat oder ein gemeinsamer Außenauftritt fehlt.
Anders ist jedoch der von der Klägerin behauptete Sachverhalt zu beurteilen, wonach die Ordinationshilfe des Erstklägers Patienten hinsichtlich weiterer Fragen bei Sehhilfen an den Zweitbeklagten (und nicht an irgend einen Optiker) verweise. Darin wäre zweifellos eine gegen die genannte Richtlinie verstoßende Werbung des Erstbeklagten für den Zweitbeklagten zu sehen. Sollte die Tatsachenbehauptung erwiesen werden wäre dem entsprechenden Eventualbegehren der Klägerin stattzugeben. Der Ratschlag der Ordinationshilfe eines Arztes, sich mit bestimmten Fragen an einen konkreten Optiker zu wenden, kann nur als Empfehlung und somit als Werbung für diesen verstanden werden. Der Arzt würde im Regelfall für die von seiner Sprechstundenhilfe begangenen Lauterkeitsrechtsverletzungen haften.
In diesen Sinne hob der OGH die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies das Verfahren zur Ergänzung der notwendigen Feststellungen zurück an das Erstgericht.