OGH-Entscheidung vom 25.6.2014, 3 Ob 94/14s

Sachverhalt:

Ein Patient (Kläger) musste sich einer Operation unterziehen. Vor der Operation wurde er unter anderem darüber aufgeklärt, dass es bei der in Aussicht genommenen Operation zu einer Milzverletzung, allenfalls auch zu einem Totalverlust der Milz kommen kann. Welche Folgen die Entfernung der Milz nach sich ziehen könnte, wurde dem Kläger nicht erklärt, er stellte diesbezüglich aber auch keine Fragen. Er wäre bei entsprechendem Nachfragen über mögliche Folgen einer Milzentfernung auch noch weiter aufgeklärt worden. Der Kläger gab vor der Operation zu verstehen, dass er wisse, was es bedeute, wenn Organe verletzt werden.

Genau dieses ausdrücklich erwähnte Risiko wurde schließlich in seinem Fall schlagend: Die Milz wurde bei der Operation verletzt. Der Kläger klagte auf Zahlung von Schadenersatz und begründete dies mit einem Kunstfehler der behandelnden Ärzte sowie mangelhafter Aufklärung.

Entscheidung:

Die ersten beiden Instanzen wiesen die Schadenersatzklage ab. Die Operation sei lege artis ausgeführt worden. Der Kläger sei überdies vor der Operation ausreichend über mögliche Komplikationen und Risken aufgeklärt worden. Die ärztliche Aufklärungsverpflichtung würde überspannt werden, wenn über die Aufklärung über Risiken hinaus, auch noch eine weitere Aufklärung über die konkrete Bedeutung allfällig verwirklichter Operationsrisken auf das tägliche Leben erforderlich wäre.

Der OGH schloss sich den Vorinstanzen an. Der konkrete Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls. Die ärztliche Aufklärung soll es Patienten ermöglichen, die Tragweite ihrer Erklärung, in eine bestimmte Behandlung einzuwilligen, zu überschauen. Der Patient kann nur dann wirksam seine Einwilligung geben, wenn er über die Bedeutung des vorgesehenen Eingriffs und seine möglichen Folgen hinreichend aufgeklärt wurde. Die ärztliche Aufklärungspflicht reicht umso weiter, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten vordringlich oder geboten ist. Ist der Eingriff zwar medizinisch empfohlen aber nicht eilig, so ist grundsätzlich eine umfassende Aufklärung notwendig. In einem solchen Fall ist die ärztliche Aufklärungspflicht selbst dann zu bejahen, wenn erheblich nachteilige Folgen wenig wahrscheinlich sind. Es ist dann auch auf die Möglichkeit äußerst seltener, aber gravierender Risken hinzuweisen. Die Aufklärungsanforderungen dürfen aber nicht überspannt werden. Entscheidend für den Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist, dass der Patient als Aufklärungsadressat die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien erfährt, die ihn in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Zustimmung zum Eingriff zu überblicken und eine sachgerechte Entscheidung zu treffen.

Der OGH sah keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht die ärztliche Aufklärung des Klägers vor der Operation, die überdies von zwei Ärzten an zwei aufeinanderfolgenden Tagen vor der Operation erfolgte und dem Kläger somit auch eine längere Überlegungszeit bot, als ausreichend und den operativen Eingriff daher als gerechtfertigt ansah, darf die ärztliche Aufklärungspflicht doch nicht überspannt werden.