OGH-Entscheidung vom 26. Mai 2014, 8 ObA 55/13s

Sachverhalt:

Die Klägerin war als Busfahrerin bei den Wiener Linien beschäftigt. Nach einem Unfall kam die Klägerin in die Dienststelle, um ihrem Vorgesetzten den Vorfall zu melden. Bei dieser Vorsprache wurde die Klägerin laut eigener Schilderung von ihrem Vorgesetzten sexuell belästigt. Daraufhin zeigte sie den Vorgesetzten nach § 7 des Wiener Gleichbehandlungsgesetzes wegen Diskriminierung durch sexuelle Belästigung an. In dieser Anzeige brachte sie vor, wiederholt von ihrem Vorgesetzten durch sexuelle Anspielungen und Bemerkungen belästigt worden zu sein. Er habe er ihr auch mit beiden Händen an ihre Brüste gegriffen und gefragt, ob diese echt seien.

Das aufgrund dieser Anzeige eingeleitete Disziplinarverfahren gegen den Vorgesetzten wurde eingestellt. Die Klägerin erhielt die Kündigung. In weiterer Folge klagte sie auf Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis aufrecht fortbestehe.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren Folge.

Der OGH lies die Revision zu und verwies das Verfahren zurück an das Erstgericht. Aus der Begründung:

Die Gemeinde ist zur vorzeitigen Auflösung eines Dienstverhältnisses berechtigt, wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung oder einer Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens der Gemeinde unwürdig erscheinen lässt, insbesondere wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen Vorgesetzte, Mitarbeiter, Parteien oder Kunden zuschulden kommen lässt.

Die wissentliche wahrheitswidrige Behauptung, von einem Vorgesetzten sexuell belästigt worden zu sein, kann den genannten Kündigungsgrund verwirklichen.

Hier stellt sich allerdings die Frage, ob der Kündigungsgrund auch dann verwirklicht ist, wenn die Richtigkeit der Behauptung, sexuell belästigt worden zu sein, nicht geklärt werden kann. Nach den bisherigen Feststellungen im Verfahren konnte die Frage, ob die Behauptungen der Klägerin über den Vorfall zutreffen oder ob es sich dabei um eine Falschbehauptung handelt, (noch) nicht geklärt werden.

Die Rechtsentwicklung der letzten Jahre auf europäischer und auf nationaler Ebene ist von der klaren Tendenz getragen, sexuelle Belästigung im Arbeitsverhältnis zu bekämpfen und den Opfern derartiger Belästigung die Durchsetzung ihrer Rechte so weit wie möglich zu erleichtern. Dazu zählt auch die Beweislastverteilung. Die Beklagte trägt daher die Beweislast dafür, dass die Klägerin gegen ihren Vorgesetzten wissentlich einen unwahren Vorwurf erhoben und damit den angezogenen Kündigungsgrund verwirklicht hat. Dieser Beweis ist ihr allerdings nach den bisher vorliegenden Feststellungen nicht gelungen. Das Verfahren wurde daher an die erste Instanz zur Verfahrensergänzung zurückverwiesen.