OGH-Entscheidung vom 23. 4. 2014, 4 Ob 48/14h

Sachverhalt:

Die Klägerin betreibt in Wien eine Gaststätte. Von Juni 2011 bis Februar 2012 wurde sie vom Beklagten dreimal wegen Verstößen gegen Nichtraucherschutzbestimmungen angezeigt. Der Beklagte übermittelte der Behörde Sachverhaltsdarstellungen, die auf Beobachtungen im Lokal beruhten. Er hatte (auch) das Lokal der Klägerin mehrfach aufgesucht, um Verstöße gegen Nichtraucherschutzbestimmungen wahrnehmen und dann anzeigen zu können. Speisen und Getränke hatte er dort nur konsumiert, um zu diesem Zweck eine gewisse Zeit im Lokal bleiben zu können. Er hatte sich dabei unauffällig verhalten und andere Gäste nicht gestört.

Die Klägerin verbot dem Beklagten zunächst mit Anwaltsschreiben das Betreten ihres Betriebs und brachte schließlich eine Klage ein, nachdem der Beklagte ihr mitgeteilt hatte, dass er sich nicht an dieses Verbot halten werde.

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht gaben dem Klagebegehren statt und auch der OGH bestätigte die Vorentscheidungen. Aus der Begründung:

Die Klägerin macht ihr Hausrecht am Gastlokal geltend. Das Hausrecht unterliegt wie jedes andere Ausschlussrecht des Eigentümers oder Bestandnehmers privat- und öffentlich-rechtlichen Beschränkungen. Eine solche Beschränkung könnte sich insbesondere aus einem Kontrahierungszwang des Klägers ergeben. Dieser setzte aber eine faktische Monopolstellung des Anbieters mit fehlenden zumutbaren Ausweichmöglichkeiten der Nachfrager voraus. Das kann zwar im Einzelfall auch bei Gastgewerbebetrieben zutreffen. Hier liegt eine solche Situation aber unstrittig nicht vor.

Eine weitere Beschränkung des Hausrechts von Unternehmern besteht bei Testkäufen im Bereich des Lauterkeitsrechts. Testkäufe können vom Geschäftsinhaber nicht durch Berufung auf das Hausrecht unterbunden werden, wenn sie dem Aufdecken unlauteren Verhaltens dienen und sich die Testkäufer wie andere Kunden verhalten. Dem Beklagten hilft das aber nicht weiter, weil er weder Mitbewerber der Klägerin ist noch im Auftrag eines nach § 14 UWG klagebefugten Verbandes handelt und sich insofern nicht auf das UWG stützen kann.

Einer anderen OGH-Entscheidung zufolge, folgt aus dem „Grundrecht auf Persönlichkeitsschutz“, dass auch außerhalb eines Kontrahierungszwangs ein „diffamierender“ Ausschluss von der Inanspruchnahme von Leistungen unzulässig ist, die ein Unternehmer sonst allgemein anbietet, wenn nicht eine hinreichende sachliche Rechtfertigung besteht. Bei der Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten sei maßgebend, dass die „durch die guten Sitten gezogenen Grenzen“ nicht überschritten würden.

Zu prüfen bleibt allerdings, ob ein Unternehmer eine systematische Überwachung durch einen Privaten hinnehmen muss, wenn dieser seine Leistungen allein deswegen in Anspruch nimmt, um dadurch die Möglichkeit zur Ausforschung möglicher Rechtsverstöße zu erlangen.

Diese Interessenabwägung fällt im konkreten Fall gegen den Beklagten aus:

  • Es ist grundsätzlich nicht wünschenswert, dass Einzelne systematisch Aufgaben übernehmen, die an sich solche des Staates sind. Dazu gehört insbesondere die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Eine zusätzliche „Privatpolizei“ mag zwar im öffentlichen Raum nicht zu verhindern sein, ein öffentliches Interesse besteht daran aber nicht.
  • Auch aus dem Persönlichkeitsrecht des Beklagten kann kein Betretungsrecht abgeleitet werden. Denn er wird nicht aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe diskriminiert, sondern das von der Klägerin ausgesprochene Verbot gründet sich ausschließlich auf sein von ihm bewusst gesetztes Verhalten.
  • Zuletzt darf nicht übersehen werden, dass eiferndes Vorgehen bei der privaten Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften ein hohes Konfliktpotential in sich birgt. Durch eine Trennung der Kontrahenten – hier also durch ein Lokalverbot – kann dieses Konfliktpotential weitestgehend entschärft werden.

Die Klägerin kann sich daher gegenüber dem Beklagten auf ihr Hausrecht berufen. Der Inhaber eines Gastgewerbebetriebs kann einer Privatperson daher unter Berufung auf das Hausrecht das Betreten seines Lokals untersagen, wenn diese Person das Lokal als „Rauchersheriff“ aufgesucht hat, um die Einhaltung der Nichtraucherschutzvorschriften zu kontrollieren und gegebenenfalls Anzeige zu erstatten. Das gilt auch dann, wenn die Person Speisen und Getränke konsumiert hat, um für ihre Kontrollen eine gewisse Zeit im Lokal bleiben zu können.