OGH-Entscheidung vom 17.2.2014, 4 Ob 18/14x

Sachverhalt:

Ein Optikerunternehmen betreibt zwei Filialen in Wien; der Geschäftsführer erwarb an einer britischen Universität den akademischen Grad „Doctor of Philosophy (PhD) Optometry“ und tritt im geschäftlichen Verkehr als „Dr. Walter Gutstein“ auf. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung hatte dem Geschäftsführer auf Anfrage mitgeteilt, dass er berechtigt sei, den britischen Doktorgrad in der Form „Dr.“ seinem Namen voranzustellen.

Auf der Website findet sich folgendes Logo:

optometrist

 

 

Die zuständige Ärztekammer sah darin eine Irreführung und klagte u.a. auf Unterlassung bzw. beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Entscheidung:

Das Rekursgericht erlies die einstweilige Verfügung (eingeschränkt auf den Fall des Fehlens eines aufklärenden Hinweises) mit der Begründung, dass das Geschäftsfeld der beklagten Parteien dem medizinischen Bereich zuzuordnen sei. Werde in diesem Umfeld ein Doktortitel geführt, nehme der Durchschnittsverbraucher an, dass es sich um ein medizinisches Doktorat handle. Zur Vermeidung einer Irreführung müsse der Zweitbeklagte daher klarstellen, dass dies nicht zutreffe. Wie er das tue, bleibe ihm überlassen; der Doktortitel dürfe jedenfalls nicht in einer Art und Weise geführt werden, die – zumal im titelgläubigen Österreich – den Eindruck einer ärztlichen Qualifikation erwecke.

Der OGH lies den dagegen gerichteten Revisionsrekurs der Beklagten nicht zu. Aus der Begründung:

Beim Irreführungstatbestand ist nach ständiger Rechtsprechung zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt oder die Dienstleistung, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Maßgebend ist dabei der Gesamteindruck, wobei eine Angabe im konkreten Kontext – insbesondere wegen Unvollständigkeit – auch dann irreführend sein kann, wenn sie bei isolierter Betrachtung wahr ist. Ob das zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.

Schon wegen der teilweisen Überschneidung der Tätigkeitsbereiche – etwa bei der Sehschärfemessung oder der Anpassung von Kontaktlinsen – wird ein Augenoptiker im medizinischen Umfeld tätig. Hier wird der Durchschnittsverbraucher einen vom Unternehmer ohne weitere Konkretisierung geführten Doktorgrad als Hinweis auf eine medizinische Ausbildung verstehen. Im konkreten Fall wird dieser Eindruck durch die für den Durchschnittsverbraucher zwar nicht unmittelbar verständliche, aber durchaus medizinisch anmutende Bezeichnung „Optometrist“ – die der Beklagte als solche natürlich führen darf – verstärkt. Insofern war die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts nicht zu beanstanden. Außerhalb der geschäftlichen Tätigkeit steht es dem Zweitbeklagten selbstverständlich frei, seinen Doktortitel in jeder verwaltungsrechtlich zulässigen Form zu führen.