OGH-Entscheidung vom 22.1.2014, 2 Ob 243/13v

Sachverhalt:

In einer Fußgängerzone in Feldkirch stießen eine sehbehinderte 80-jährige Frau (Klägerin) und ein etwa zwei Jahre und zwei Monate altes Kind zusammen. Die Frau war als Fußgängerin und das Kind mit einem Laufrad unterwegs. Infolge dieses Zusammenstoßes stürzte die Klägerin und verletzte sich.

Die Klägerin begehrte aufgrund erlittener nachhaltiger Bewegungseinschränkung die Zahlung von Schadenersatz, den Zuspruch einer monatlichen Rente sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten (Eltern des Kindes) für sämtliche zukünftigen Folgen und Schäden aus dem Unfall. Sie brachte vor, die Beklagten hätten sich zum Unfallszeitpunkt nicht bei ihrem Kind befunden und dadurch ihre Aufsichtspflicht verletzt. Die Klägerin sei nicht über das Kleinkind gestolpert. Der Unfall sei vom Kind verursacht worden.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab; das Berufungsgericht gab der Klage teilweise statt und ließ die Revision gegen den abändernden Teil seiner Entscheidung zu, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Benützung eines Laufrades in einer Fußgängerzone und zur Beurteilung dieser Benützung als Spielen nicht vorliege.

Der OGH hielt die Revision der Beklagten für unberechtigt: Auf Fußgängerzonen ist unabhängig davon, ob sie über als solche abgegrenzte Gehsteige verfügen, § 88 Abs 2 StVO anzuwenden. Daher sind dort Spiele und das Befahren mit fahrzeugähnlichem Kinderspielzeug und ähnlichen Bewegungsmitteln (wie etwa Laufrädern für Kleinkinder) zwar nicht generell, aber dann verboten, wenn hiedurch der Verkehr auf der Fahrbahn oder Fußgänger gefährdet oder behindert werden.

Detaillierte Regeln, wann und unter welchen Voraussetzungen die Benützung einer Fußgängerzone durch Kinder iSd § 88 Abs 2 erster Satz StVO erlaubt ist, können nicht aufgestellt werden; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Generell kann aber gesagt werden: Wenn Fußgängerzonen von Fußgängern dicht frequentiert werden, wird eine Vermeidung von deren Gefährdung oder Behinderung oft nur durch die Unterlassung von Spielen oder dem Befahren mit fahrzeugähnlichem Kinderspielzeug und ähnlichen Bewegungsmitteln zu gewährleisten sein. Je weniger Fußgängerverkehr herrscht, umso eher wird eine derartige Benützung von Fußgängerzonen durch Kinder ohne Behinderung oder Gefährdung von Fußgängern möglich und somit erlaubt sein.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Fußgängerzone „einigermaßen bevölkert“ war und schon vor dem Unfall Fußgänger dem zweijährigen Kind ausweichen mussten, also iSd § 88 Abs 2 erster Satz StVO behindert wurden. Das Gefährdungspotential zeigt gerade der vorliegende Fall. Die Benützung der bevölkerten Fußgängerzone durch das Kind mit dem Laufrad war daher rechtswidrig. Die aufsichtspflichtigen Eltern des Kindes hätten diese Benützung von vornherein unterbinden müssen. Die Haftung der Beklagten gemäß § 1309 ABGB hat das Berufungsgericht in daher zutreffend bejaht.

Da die Haftung der Beklagten bereits aus genannten Gründen zu bejahen ist, kommt es auf die Beaufsichtigung des Kindes durch eine Aufsichtsperson nicht mehr an.