OGH-Entscheidung vom 19.11.2013, 4 Ob 171/13w
Sachverhalt:
Ein diplomierter Fachzahnarzt für Oralchirurgie und ein Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnarzt (hier beklagte Parteien), betreiben eine Ordinations- und Apparategemeinschaft, die sich in einem interdisziplinären Ärztezentrum befindet, die unter der Gesamtbezeichnung „Kompetenzcenter Gesundheit S*****“ auftritt. Dieses Ärztezentrum beherbergt verschiedene Facharztordinationen und setzt auf eine enge koordinierte Zusammenarbeit von Fachärzten unterschiedlicher Fachrichtungen. Beide genannten Fachärzte verfügen über extensive Erfahrung in ihren Fachbereichen.
Anlässlich der Eröffnung der Ordinationsgemeinschaft wurde eine Vermarktungsgesellschaft mit dem Verfassen einer Presseaussendung beauftragt, die an zahlreiche Redakteure und Redaktionen versandt wurde. Die darin enthaltene Bezeichnung „Kompetenzcenter für Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie Implantologie“ ist eine Erfindung des Geschäftsführers dieser Vermarktungsgesellschaft, jedoch keine Bezeichnung der Beklagten selbst, die ihre Einrichtung stets als Ordination bezeichneten. Die Beklagten wiesen den Geschäftsführer der Vermarktungsgesellschaft mehrfach auf die standesrechtlichen Bestimmungen und darauf hin, dass sie nur einen redaktionellen Beitrag über ihre Ordination wünschen. In weiterer Folge wurde die Aussendung jedoch noch von weiteren Medien aufgegriffen. Für diese Beiträge wurde kein Entgelt geleistet.
Gem Art 5b der Werberichtlinie für Zahnärzte ist die Erwähnung des Namens des Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und der nach dem Zahnärztegesetz zulässigen Bezeichnung erlaubt, hingegen sind die reklamehafte Nennung des Namens oder die gleichzeitige Schaltung eines Inserats im selben Medium untersagt. Gem Art 5c der Werberichtlinie darf eine Anzeige in Printmedien maximal ein Viertel einer Seite des jeweiligen Printmediums betragen.
Die österreichische Zahnärztekammer klagte daraufhin auf Unterlassung. Den Beklagten solle es verboten werden, Anzeigen zu schalten, die ein Viertel einer Seite des jeweiligen Printmediums überschreiten, hilfsweise die Bewerbung ihrer zahnärztlichen Leistungen in Printmedien und redaktionellen Artikeln, in denen ihre Namen reklamehaft genannt werden, sowie die Bezeichnung ihrer Ordination als „Zentrum“ und/oder „Center“ allein und/oder in Verbindung mit weiteren Begriffen wie etwa „Kompetenzcenter für Kiefer- und Gesichtschirurgie und Implantologie“.
Entscheidung:
Die Vorinstanzen wiesen das Unterlassungsbegehren ab. Die beanstandeten Presseartikel seien redaktionelle Beiträge und keine bezahlten Anzeigen, weshalb die Beschränkung von Anzeigen auf eine Viertelseite des jeweiligen Mediums nicht greife. Von einer reklamehaften Nennung der Namen der Beklagten in beiden Berichten könne nicht gesprochen werden. Eine Irreführung der Interessenten durch die Bezeichnung „Kompetenzcenter“ scheide aus, weil der redaktionelle Inhalt der Artikel den Umfang der Tätigkeiten beider Ärzte und die Größe der Ordination im Detail schildere, womit eine umfassende (klarstellende) Beschreibung der als „Kompetenzcenter“ bezeichneten Ordination der Beklagten erfolge. Die festgestellte Vielseitigkeit der Behandlung in der Ordination der Beklagten, die besondere Sachkunde des Personals (der Ärzte) und die Größe der Ordination bildeten Umstände, die die Ordination der Beklagten aus der Konkurrenz am Ort oder im entsprechenden Ortsteil jedenfalls abhebe. Überdies hätten die Beklagten die Verwendung der Bezeichnung „Kompetenzzentrum“ nicht zu verantworten. Sie hätten die redaktionellen Beiträge weder beauftragt noch inhaltlich vorgegeben oder beeinflusst und auch nicht entlohnt. Allein die Beantwortung von Fragen gegenüber den vom Ärztezentrum beauftragten PR-Management ergebe keine Verpflichtung, die in Aussicht gestellte redaktionelle Einbettung im Bezug auf ihre Gemeinschaftspraxis zu überprüfen. Bei fehlendem Auftrag der Beklagten und Fehlen der Eingliederung des werbenden Dritten in das Unternehmen der Beklagten würde eine Pflicht zur Überprüfung zu einer Überspannung der Sorgfaltspflichten führen.
Der OGH wies nun den gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zurück.
Auf die von der Klägerin ins Treffen geführten Änderungen (Verschärfungen) der Werberichtlinie für Zahnärzte (Wegfall des zusätzlichen Tatbestandsmerkmals der Verbindung mit einem gleichzeitig geschalteten Inserat im selben Medium) kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zuvor auf den bei Beurteilung der jeweils gegebenen Umstände des Einzelfalls bestehenden Ermessensspielraum verwiesen und die Verneinung einer verpönten aufdringlichen Ankündigung als vertretbar gebilligt. Auch im vorliegenden Fall liegt keine vom OGH zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vor. Der für die Beurteilung von Werbeaussagen stets maßgebliche Gesamteindruck verbietet die von der Klägerin angestrebte Wortinterpretation im Sinn unzulässiger Spitzen- oder Alleinstellungswerbung oder der beanstandeten Beschreibungen als marktschreierisch.
Die Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hat – von hier nicht vorliegender krasser Fehlbeurteilung abgesehen – keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Die Verneinung der Irreführungseignung der beanstandeten Bezeichnung „Kompetenzcenter“ der Vorinstanz ist vertretbar. Dem Text ist überdies mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Ordination von zwei Fachärzten betrieben wird und über welche besondere Sachkunde und Behandlungsmöglichkeiten diese verfügen.
Wird der Lauterkeitsverstoß vertretbar verneint, kommt es auf die weiters aufgeworfene Frage der Verantwortlichkeit der Beklagten für die beanstandeten Werbeaussagen iSd § 18 UWG nicht mehr an.