OGH-Entscheidung vom 23.9.2013, 4 Ob 27/13v

Sachverhalt:

Eine Anbieterin von Telefondienstleistungen versandte an die Mobiltelefonnummern mancher ihrer Kunden Kurznachrichten (SMS) folgenden Inhalts:

„Lieber T***** Kunde! Ab 15. 05. telefonieren sie mit der Option Sonderrufnummern um nur EUR 2,–/Monat (Ohne Bindung) unlimitiert zu Banken, Behörden und Firmen. Gilt für Sonderrufnummern (0720xx, 50xx, 57xx, 59xx, 05xx) österreichweit. Benötigen Sie die Option nicht, antworten Sie mit NEIN bis 14. 05. Ihr T***** Team“

„Seit 1. 7. telefonieren Sie gratis mit der T***** Option Sonderrufnummern unlimitiert zu Banken, Behörden und Firmen. Gilt für Sonderrufnummern (072xx, 50xx, 57xx, 59xx, 05xx) österreichweit. Ab 1. 8. zahlen Sie für diese Option EUR 2,–/Monat. Benötigen Sie diese Option nicht, antworten Sie mit NEIN bis 25. 7. 2011“

Die Versendung derartiger SMS fand in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die die Beklagte mit diesen Kunden vereinbart hatte, keine Stütze.

Der Verein für Konsumenteninfomartion (VKI) brachte daraufhin eine Klage ein, wonach die Beklagte es zu unterlassen habe, ihre Kunden zur ausdrücklichen Ablehnung von nicht bestellten, entgeltlichen Zusatzleistungen aufzufordern, widrigenfalls diese Zusatzleistungen zu bezahlen seien, insbesondere durch Übermittlung von SMS mit dem genannten Inhalt; in eventu zu unterlassen, in Aussendungen, insbesondere im Text von Kurznachrichten, die sie an ihre Kunden richte, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, der Kunde müsste von ihm nicht bestellte Dienstleistungen – etwa mittels SMS – ausdrücklich ablehnen.

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht gaben dem Hauptbegehren statt. Der OGH lies die Revision der Beklagten zu, gab ihr jedoch nicht Folge. Aus der Begründung:

Anhang Z 29 UWG bezeichnet die Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Zahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Gewerbetreibende ohne Veranlassung des Verbrauchers geliefert hat (unbestellte Waren und Dienstleistungen) als aggressive Geschäftspraktik, die gemäß § 1a Abs 3 UWG als jedenfalls aggressiv bzw gemäß Anh I RL-UGP unter allen Umständen als unlauter gilt.
Im gegenständlichen Fall ist der Tatbestand der Anh Z 29 UWG jedoch nicht erfüllt. Die Mitteilung diente einer Änderung der Konditionen für Telefonie zu Sonderrufnummern bei bereits bestehender vertraglicher Beziehung. Der Kunde bezog bereits vor der Übermittlung der Ankündigung die entsprechenden Leistungen; geändert wurde nur die Art der Verrechnung mit einem Fixpreis pro Monat. Es kann daher hier nicht von einer unbestellten Dienstleistung, sondern höchstens von einer unbestellten Vertragsänderung gesprochen werden. Dies erfüllt aber nicht den Tatbestand der Anh Z 29 UWG.

Eine Geschäftspraktik gilt nach § 1a Abs 1 UWG als aggressiv, wenn sie geeignet ist, die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Marktteilnehmers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung oder durch unzulässige Beeinflussung wesentlich zu beeinträchtigen und ihn dazu zu veranlassen, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Die Zusendung von SMS – selbst wenn sie nur an jene Telefoniekunden erfolgte, die zuvor bestimmte „Sondernummern“ gewählt haben und die der Information über Angebote durch SMS vorweg zugestimmt haben – mit der Mitteilung einer (Mehrkosten verursachenden) Vertragsänderung, welche nur durch rechtzeitige Absendung einer Abbestellungs-Meldung abgewendet werden kann, stellt jedenfalls eine Belästigung dar. Dem Kunden wird nämlich eine Vertragsänderung aufgedrängt, die er sonst – bei Erhalt einer bloßen Information über die Änderungsmöglichkeit – nicht akzeptiert hätte.
Im Übrigen ist die Vorgangsweise auch deshalb als unzulässige Beeinflussung zu qualifizieren, weil die Ankündigung den Eindruck vermittelt, es handle sich jedenfalls um eine Verbilligung („… telefonieren Sie um nur …“). Es kommt nicht deutlich genug zum Ausdruck, dass mangels Widerspruchs jedenfalls eine Preiserhöhung Platz greift. Auch dadurch wird der Kunde veranlasst, den Widerruf zu unterlassen.
Diese Belästigung bzw unzulässige Beeinflussung ist als aggressive Geschäftspraktik nach § 1a UWG zu qualifizieren, die auch geeignet ist, die wirtschaftliche Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers oder den Wettbewerb zwischen Unternehmen spürbar zu beeinflussen.