OGH-Entscheidung: OGH 18.6.2013, 4 Ob 36/13t

Sachverhalt:

Der Erstbeklagte war zwischen den Jahren 1987 und 2006 zunächst als selbständiger Handelsvertreter und dann im Rahmen einer Vertragsbeziehung für die Klägerin tätig; zuletzt als Vertriebsleiter und Vorgesetzter aller für die Klägerin tätigen Handelsvertreter. Zu seinen Aufgaben zählten ua die Vertretersteuerung, die Verkaufsplanung, die Produktentwicklung und die Großkundenbetreuung.

Während des aufrechten Vertragsverhältnisses kam es beim Erstbeklagten zu einem „inneren Frontwechsel“, der unter anderem dadurch zum Ausdruck gebracht wurde, dass er Gespräche über den Aufbau eines Konkurrenzunternehmens sowohl mit einer Lieferantin der Klägerin als auch mit einem Vorstandsmitglied einer großen Stoffproduzentin führte, zwei Handelsvertreter der Klägerin abzuwerben versuchte, herabwürdigende und geschäftsschädigende Äußerungen über die Klägerin anlässlich einer Messe verbreitete, Kundenlisten und andere Betriebsgeheimnisse der Klägerin an Dritte weitergab und schließlich ein Konkurrenzunternehmen gründete.

Das Konkurrenzunternehmen hatte im Jahr 2007 seinen Markteintritt und wurde maßgeblich durch Beschäftigung von zwei ehemaligen Mitarbeiterinnen der Klägerin (unter anderem eine dortige Designleiterin) möglich, die dadurch gegen nachvertragliche Konkurrenzverbote in ihren Arbeitsverträgen verstießen.

Die Klägerin klagte auf die Zahlung von Schadenersatz, Feststellung und Rechnungslegung. Neben dem Erstbeklagten wurden auch die beiden früheren Mitarbeiterinnen (als Zweit- und Drittbeklagte) sowie der Geschäftsführer des 2007 gegründeten Konkurrenzunternehmens (als Viertbeklagter) und die Alleineigentümerin des Konkurrenzunternehmens (als Fünftbeklagte) geklagt.

Entscheidung:

Der OGH bestätigte in seiner Entscheidung zunächst die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach das planmäßige, illoyale Verhalten des Erstbeklagten gegenüber seinem Vertragspartner nach den Umständen des Einzelfalls unlauter war.

Der Klägerin wurde bereits vom Erstgericht ein immaterieller Schadenersatz iHv EUR 5.000 zugesprochen. Eine manifeste Beeinträchtigung des guten Rufs der Klägerin konnten Erst- und Berufungsgericht aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ableiten.
Der OGH führte dazu aus, dass juristischen Personen, die wegen ihrer Struktur keinen Schadenersatzanspruch wegen „erlittener Kränkung“ haben können, nach § 16 Abs 2 UWG eine dem richterlichen Ermessen unterliegende Geldbuße zuzusprechen ist, wenn mit einem ernstlich beeinträchtigenden Wettbewerbsverstoß eine Verletzung des äußeren sozialen Geltungsanspruchs als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts verbunden ist. Dabei können auch die damit verbundenen, nicht bezifferbaren Vermögensschäden berücksichtigt werden. In jedem Fall muss es sich aber – im Interesse der Gleichbehandlung mit physischen Personen – um eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der betroffenen juristischen Person handeln. Eine besonders intensive negative Außenwirkung des lauterkeitswidrigen Verhaltens für Ruf und Ansehen der Klägerin aus dem Sachverhalt konnte auch der OGH nicht ableiten, weshalb die Höhe des immateriellen Schadenersatzes iHv EUR 5.000 als angemessen erachtet wurde.

Das Erstgericht sprach der Klägerin überdies zunächst etwa ein Sechstel des weiteren begehrten Schadenersatzes zu. Diese erstinstanzliche Entscheidung wurde jedoch bereits vom Berufungsgericht aufgehoben und an das Erstgericht zurückverwiesen. Der gegen den Aufhebungsbeschluss erhobenen Rekurs des Erstbeklagten wurde vom OGH dahingehend beantwortet, dass jedenfalls eine Kausalität zwischen Markteintritt des Konkurrenzunternehmens und dem Umsatzrückgang der Klägerin gegeben sei. Ledglich das genaue Ausmaß sei noch im fortgesetzten Verfahren festzustellen.

Als nicht nachvollziehbar erachtete der OGH das Argument des Erstbeklagten, wonach ein Schadenersatzbegehren nur im Zusammenhang mit einem (hier nicht geltend gemachten) Unterlassungsbegehren zulässig sei. Der Anspruch auf Schadenersatz wegen unlauteren Verhaltens ist nach dem Konzept des UWG ein neben dem Anspruch auf Unterlassung selbständig bestehender Anspruch, der als zusätzliches Tatbestandselement Verschulden voraussetzt (§ 1 Abs 1 UWG). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb es einem Geschädigten verwehrt sein soll, innerhalb der Verjährungsfrist Schadenersatzansprüche etwa auch dann geltend zu machen, wenn die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nicht (mehr) vorliegen. Dazu kommt, dass das Unterlassungsgebot Wiederholungsgefahr voraussetzt und in die Zukunft wirkt, während der Schadenersatzanspruch einen in der Vergangenheit eingetretenen Nachteil ausgleicht. Wäre ein Unterlassungstitel Voraussetzung des Schadenersatzanspruchs, so könnte ein in der Vergangenheit schon eingetretener Schaden nicht ersetzt werden, wenn die Wiederholungsgefahr – etwa durch Anbot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs – weggefallen ist.

Das Klagebegehren gegen die Zweit- und Drittbeklagte (frühere Mitarbeiterinnen der Klägerin) wurde abgewiesen. Beide seien zwar einem Konkurrenzverbot unterlegen; jedoch konnte nicht festgestellt werden, dass sie bereits erheblich vor ihrem Ausscheiden von der Klägerin einen „inneren Frontwechsel“ vollzogen hätten und planmäßig für das erst zu gründende Konkurrenzunternehmen tätig gewesen seien. Ein bloßer Verstoß gegen eine vertraglich vereinbarte Konkurrenzklausel sei aber noch nicht unlauter; erst das Hinzutreten weiterer – die Unlauterkeit begründender – Umstände führe dazu, einen Verstoß nicht mehr als reine Vertragsverletzung, sondern als Verstoß gegen das Lauterkeitsgebot zu beurteilen.

Auch das Klagebegehren gegen den Viertbeklagten (Geschäftsführer des Konkurrenzunternehmens) wurde abgewiesen, da nicht festgestellt werden konnte, dass ihm die vertragliche Situation zwischen Erst- bis Drittbeklagtem und der Klägerin bekannt war. Wer ein Organ einer juristischen Person wegen eines Lauterkeitsverstoßes in Anspruch nimmt, hat zu beweisen, dass das Organ entweder selbst daran beteiligt war oder aber – wenn die Handlung im Betrieb des Unternehmens von jemand anderem begangen wurde – dass es trotz Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Verstoßes nicht dagegen eingeschritten ist. Das Vorliegen eines solchen Sachverhalts wurde verneint.

Die lauterkeitsrechtliche Haftung der Fünftbeklagten (Alleineigentümerin des Konkurrenzunternehmens) wurde ebenfalls verneint und das Klagebegehren abgewiesen. Juristische Personen können Störer, Mittäter, Anstifter oder Gehilfen nur aufgrund des Verhaltens ihrer Organe sein, welches ihnen selbst zugerechnet wird. Die Zurechnung setzt voraus, dass die tatsächlich handelnde natürliche Person in ihrer Eigenschaft als Organ in Ausführung der ihr zustehenden Verrichtungen unlauter gehandelt hat, wobei dieses Handeln im objektiven Zusammenhang mit dem den Organ zugewiesenen Wirkungsbereich bestehen muss. Das Vorliegen eines solchen Sachverhalts wurde verneint.

Das unbefristet erhobene Rechnungslegungsbegehren wurde mangels hierfür notwendigem Vorbringen abgewiesen.

Das Feststellungsbegehren, auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für „sämtliche Schäden“ die der Klägerin durch das unlautere Verhalten entstanden sind, wurde ebenfalls abgewiesen. Die Schäden seien laut Vorbringen der Klägerin zwar schon entstanden, jedoch könne die Klägerin ihre Schadenersatzansprüche mangels Rechnungslegung sowie mangels Kenntnis oder Nachweismöglichkeit weiterer schadensbegründender Handlungen ziffernmäßig noch nicht geltend machen und insoweit kein Leistungsbegehren erheben.
Der OGH führte hierzu aus, dass ein rechtliches Interesse nur an der Feststellung künftiger Schadenersatzansprüche besteht, demnach solcher, die im Zeitpunkt der Einbringung der Feststellungsklage noch nicht fällig waren. Ist hingegen ein Schaden bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung zwar eingetreten, aber nicht nachweisbar, fehlt es am rechtlichen Interesse an der Feststellung der Schadenersatzpflicht.