OGH-Entscheidung vom 17.11.2015, 4 Ob 129/15x
Sachverhalt:
Die Klägerin stellt für alle Brennstoffe verwendbare Kamine her, die einen wesentlichen Bestandteil des jeweiligen Heizsystems bilden.
Der Beklagte ist ein in der Wirtschaftskammer angesiedelter Fachverband, dessen Mitglieder unter anderem Unternehmen der Fernwärmebranche sind. Zu den Aufgaben des Beklagten gehört es auch, für Gas- und Fernwärme zu werben.
Der Beklagte veröffentlichte im Oktober 2014 in Printmedien, aber auch auf seiner Website folgende Werbung:
Bereits 2011 wurden 46 % der Fernwärme aus Biomasse erzeugt. Aus Biomasse hergestellte Fernwärme verursacht von den gebräuchlichsten Heizsystemen die höchste Feinstaubemission.
Aus gesundheitlicher Sicht ist bei Staub neben der Zusammensetzung vor allem die Partikelgröße von Bedeutung. Sie bestimmt die Eindringlichkeit in den Atemwegstrakt. Die Belastung etwa durch PM 10-Emissionen („Feinstaub“) kann Schädigungen der Atemwege sowie Herz-, Kreislauf-Erkrankungen verursachen und die durchschnittliche Lebenserwartung um mehrere Monate reduzieren.
Die Klägerin beantragte, es der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr den unrichtigen Eindruck zu erwecken, dass Heizen mit Fernwärme von allen Heizsystemen die geringste Feinstaubbelastung verursacht […].
Das beanstandete Inserat erwecke bei einem durchschnittlich informierten und verständigen Leser den Eindruck, dass Heizen mit Fernwärme im Vergleich zu anderen Heizsystemen die Feinstaubbelastung senke und Fernwärme von allen verfügbaren Heizsystemen die geringste Feinstaubbelastung verursache und daher am umweltfreundlichsten sei. Dies sei unrichtig, weil fast die Hälfte der Fernwärme aus Biomasse hergestellt werde und diese von den beliebtesten Heizsystemen die höchste Feinstaubemission verursache.
Entscheidung:
Erst- und Rekursgericht wiesen das Unterlassungsbegehren ab. Der OGH änderte die Entscheidung teilweise ab:
Zur Aktivlegitimation der Klägerin hielt der OGH zunächst fest, dass der beklagte Fachverband nicht selbst wirtschaftlich tätig wird, er kann aber wegen der Förderung fremden Wettbewerbs in Anspruch genommen werden. Wegen des generellen Wegfalls der Wettbewerbsabsicht als Tatbestandsmerkmal des § 1 UWG durch die UWG-Novelle 2007 kommt es nach der ständigen Rechtsprechung nicht mehr auf die Absicht an, fremden Wettbewerb zu fördern, sondern auf die Eignung des Verhaltens, sofern nicht bei objektiver Betrachtung eine andere Zielrichtung eindeutig überwiegt.
Zwar haben zahlreiche Wohnungsinteressenten keinen oder kaum einen Einfluss auf die Auswahl des Heizsystems, die Werbung richtet sich aber auch an private Errichter von Eigenheimen.
Bei Beurteilung des Gesamteindruck der beanstandeten Werbung wird für den durchschnittlich informierten und verständigen Interessenten bei angemessener Aufmerksamkeit der Eindruck erweckt, die Aussage vergleiche nicht bloß die von einem einzelnen Haus ausgehende Feinstaubbelastung bei Verwendung unterschiedlicher Heizsysteme, sondern stelle auf die Gesamtumweltbelastung ab, beziehe also bei Fernwärmeversorgung auch die Erzeugung der Fernwärme mit ein.
Die blickfangartige Hervorhebung des Gegensatzpaares „FEINSTAUB“ und „KEINSTAUB“ legt das Verständnis der angesprochenen Leser nahe, Heizen mit Fernwärme führe zu überhaupt keiner Feinstaubbelastung. Selbst wenn man diese Werbeaussage nicht wörtlich nimmt, deutet sie jedoch zumindest darauf hin, dass die von Fernwärmeheizungen bewirkte Feinstaubbelastung jedenfalls vergleichsweise sehr gering bzw überhaupt die geringst Mögliche sei. Die beanstandete Werbung lässt sich in keiner Weise dahin verstehen, dass sie lediglich auf großtechnische Fernwärmeerzeugung in Ballungsräumen abstellt. Im Gegenteil: Das kleine symbolische Häuschen lässt eher an Einfamilienhäuser als an große Wohnhausanlagen oder ähnliche Gebäudekomplexe denken.
Systemvergleiche müssen nach ständiger Rechtsprechung wahr, sachlich und informativ sein. Der von der beanstandeten Werbung hervorgerufene Eindruck erweist sich als unzutreffend. Es ist weder richtig, dass Heizen mit Fernwärme bei einer Gesamtbetrachtung überhaupt keinen oder zumindest den im Vergleich zu anderen Heizsystemen geringsten Feinstaub erzeugt.
Zusammenfassend hielt der OGH fest, dass der dem Beklagten obliegende Beweis der Richtigkeit seiner undifferenzierten und vereinfachenden Werbeaussage sowohl was die Behauptung der eigenen Spitzenstellung („KEINSTAUB“) anlangt, als auch im Vergleich mit Einzelheizungen unter Heranziehung fossiler Brennstoffe misslungen ist. Unter beiden Gesichtspunkten ist die Werbeaussage unzutreffend bzw irreführend, weil unvollständig. Die beanstandete Werbung versucht einem vor die Wahl des Heizsystems gestellten Interessenten unter dem Aspekt der Vermeidung von Feinstaub nahezulegen, einen Fernwärmeanschluss anzustreben und von der Installation einer Einzelheizung unter Verwendung fossiler Brennstoffe Abstand zu nehmen. Die Wahl des Fernwärmeanschlusses mag tatsächlich die Feinstaubbelastung verringern oder vermeiden, wenn die zur Verfügung gestellte Fernwärme aus einer großstädtischen Anlage im Zusammenhang mit Müllverbrennung, Kraft-Wärme-Kopplung, industrieller Abwärme oder sonstiger feinstaubgünstiger Erzeugung stammt, die Aussage der beanstandeten Werbung trifft aber nicht zu, wenn die Fernwärme etwa aus Biomasse gewonnen wird.
Der OGH gab einem Teil des Unterlassungsbegehrens Folge: Der beklagten Partei wurde aufgetragen, es ab sofort […] zu unterlassen, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, dass Heizen mit Fernwärme von allen Heizsystemen die geringste Feinstaubbelastung verursacht, und/oder Vergleiche zwischen der durch Fernwärme einerseits und durch andere Heizsysteme andererseits verursachten Feinstaubbelastung anzustellen, ohne gleichzeitig ausreichend deutlich darüber aufzuklären, dass bei aus Biomasse hergestellter Fernwärme die Feinstaubbelastung deutlich höher als bei den übrigen Fernwärmeanlagen ist, und/oder insbesondere wie folgt zu werben.
