OGH-Entscheidung vom 17.11.2015, 4 Ob 170/15a
Sachverhalt:
Die Klägerin ist Inhaberin von Gemeinschaftsmarken, die ua für kosmetische Erzeugnisse und Parfümeriewaren geschützt sind. Sie vertreibt ihre Produkte über ein selektives Vertriebssystem. Dabei wählt sie ihre Vertriebspartner nach objektiven Qualitätskriterien aus. Diesen ist vertraglich untersagt, Produkte der Klägerin an Händler außerhalb des Vertriebssystems zu verkaufen.
Die Beklagte betreibt österreichweit 370 Filialen. Sie gehört dem selektiven Vertriebssystem der Klägerin nicht an, bezieht aber Originalware der Klägerin seit 1997 von einem Großhändler mit Sitz im EWR. Dieser „garantiert“ ihr die markenrechtliche Verkehrsfähigkeit, weil er selbst von Vertragshändlern ankaufe.
Ein Testkäufer erwarb in einer Wiener Filiale der Beklagten drei mit den Marken gekennzeichnete Parfums. Es handelte sich um Originalware. Bei einem dieser Parfums ergaben die vom Hersteller gespeicherten Daten, dass es nach Singapur ausgeliefert worden war. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dieses Parfum nachfolgend durch die Klägerin oder mit deren Zustimmung im EWR in Verkehr gesetzt worden wäre.
Die Klägerin erhob Unterlassungs-, Beseitigungs- und Auskunftsbegehren. Es wurde einem Unterlassungsbegehren stattgegeben, wonach es der Beklagten untersagt wurde, ohne Zustimmung der Klägerin kosmetische Erzeugnisse, insbesondere Parfums der Marken […], anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, die weder von der Klägerin noch mit deren Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht wurden.
Im Revisionsverfahren war ausschließlich das Auskunftsbegehren strittig.
Entscheidung:
§ 55a Abs 1 MSchG regelt den Auskunftsanspruch des Markeninhabers. Diese Bestimmung lautet wie folgt:
„Wer in einer der ihm aus einer Marke zustehenden Befugnisse verletzt worden ist, kann Auskunft über den Ursprung und die Vertriebswege der rechtsverletzenden Waren und Dienstleistungen verlangen, sofern dies nicht unverhältnismäßig im Vergleich zur Schwere der Verletzung wäre und nicht gegen gesetzliche Verschwiegenheitspflichten verstoßen würde; zur Erteilung der Auskunft sind der Verletzer und die Personen verpflichtet, die gewerbsmäßig
1. rechtsverletzende Waren in ihrem Besitz gehabt,
2. rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch genommen oder
3. für Rechtsverletzungen genutzte Dienstleistungen erbracht haben.“
Dieser Auskunftsanspruch besteht grundsätzlich auch bei unzulässigen Parallelimporten.
Zusammengefasst kam der OGH zu folgendem Ergebnis:
Ist keine Erschöpfung des Markenrechts (Erschöpfung d. Markenrechts = gekennzeichnete Ware mit Zustimmung des Markeninhabers in EU/EWR in Verkehr gebracht) eingetreten, besteht der Auskunftsanspruch nach § 55a MSchG grundsätzlich auch beim Vertrieb von Originalware. Der Auskunftsanspruch kann jedoch wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen sein, wenn
- eine bloß einmalige Rechtsverletzung vorlag, die zu keinen schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen für den Markeninhaber geführt hat, und
- die Bekanntgabe der Bezugsquelle zur Gefahr der Marktabschottung auch in Bezug auf erschöpfte Originalware führte.