OGH-Entscheidung vom 17.9.2014, 4 Ob 61/14w

Sachverhalt:

Der Beklagte ist Humanenergetiker und übt in seiner Praxis das freie Gewerbe der Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen bzw energetischen Ausgewogenheit mittels verschiedener Methoden iSd § 2 Abs 1 Z 11 GewO aus. Der Beklagte bietet insbesondere individuelle Ernährungstypbestimmung, Austestung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Analyse sinnvoller Nahrungsergänzungen, Professionelle Trinkwasserberatung, BIA-Messung (Körperstrukturmessung) zur Feststellung des Mindestbedarfs an Kalorien pro Tag, Mind-Link-Harmonisierung psychischer und emotionaler Blockaden, Entgiftung und (Schwermetall) Ausleitung, etc an. Die angebotene „Ernährungstypbestimmung“ wurde unter anderem damit beworben, dass man durch das vom Beklagten erstellte „individuelle Ernährungsprogramm“ „langfristig das Wohlfühlgewicht erreicht, Essstörungen in den Griff bekommt … und aktiven Krankheiten vorbeugt“.

Der WIWE-Schutzverband zur Förderung des lauteren Wettbewerbs klagte auf Unterlassung und beantragte eine einstweilige Verfügung, da die beworbenen Dienstleistungen dem Gewerbe der Ernährungsberatung (Lebens- und Sozialberatung) vorbehalten sind. Heilbehandlungen überdies Gesundheitsberufen vorbehalten. Der Beklagte überschreite seine Befugnisse deutlich, verstoße damit gegen § 119 GewO sowie das ÄrzteG, weshalb Rechtsbruch iSd § 1 UWG vorliege. Ebenso seine die Äußerungen des Beklagten irreführend iSd § 2 UWG.

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung und das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung. Allerdings ließ es den ordentlichen Revisonsrekurs an den OGH zu, weil Rechtsprechung zur Abgrenzung der Tätigkeiten der Humanenergetiker einerseits und der Lebens- und Sozialberater in Bezug auf Ernährungsberatung oder sportwissenschaftliche Beratung fehle.

Der OGH verwies zunächst auf seine frühere Entscheidung, wonach mit der Gewerberechtsnovelle 2002 (BGBl I 111/2002) die Ernährungsberatung zu einem Teilbereich des Lebens- und Sozialberatungsgewerbes nach § 119 GewO und die Ausübung damit reglementiert wurde. Lediglich Teiltätigkeiten im Zusammenhang mit der Ernährungsberatung können nach wie vor in der Form eines freien Gewerbes ausgeübt werden, wenn davon auszugehen ist, dass auch nicht speziell geschulte Kunden diese Tätigkeiten selbst verrichten können. Beispiele: Auswahl von Nahrungsmittellieferanten, Einkauf und die Auswahl von Nahrungsmitteln, Zubereitung von Speisen (etwa Vollwertkost) nach einem von dritter Seite erstellten Ernährungs- oder Diätplan, die Variation von Speisen im Rahmen des von dritter Seite erstellten Ernährungs- oder Diätplans, die Ausarbeitung individueller Rezepte, die Führung eines Haushaltsbuchs, das Zählen von Kalorien, die Führung einer Kalorien- oder Gewichtstabelle, das Ausmessen von Körpermaßen, die Buchführung darüber oder das Führen eines Ernährungsprotokolls.

Von den vom Beklagten im Rahmen seines Internetauftritts ausdrücklich angebotenen Leistungen fallen zumindest die Ernährungstypbestimmung, die Austestung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten und die Analyse sinnvoller Nahrungsergänzungen unter Tätigkeiten, die nur von speziell geschulten Personen vorgenommen werden können und von vornherein dem Begriffskern der als reglementiertes Gewerbe ausgestalteten Ernährungsberatung entsprechen.

Dem Beklagten als Humanenergetiker ist ebenso wie allen anderen Gewerbetreibenden und frei beruflich Erwerbstätigen untersagt, irreführende Angaben über die eigenen Leistungen zu machen. Dabei kann auch das Verschweigen von Tatsachen eine relevante Irreführung sein, wenn eine Aufklärung des Publikums zu erwarten wäre, wenn auch eine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen nicht besteht. Unvollständige Angaben verstoßen gegen § 2 UWG, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, sodass die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen.

Der Beklagte erweckt in seinen Werbeaussagen zudem den Eindruck einer wissenschaftlich fundierten Methode. Für den unbefangenen Durchschnittsbetrachter des Angebots entsteht auch der Eindruck, der Beklagte sei zur Erbringung von nur besonders qualifiziertem Personal erlaubten Beratungstätigkeiten, etwa Ernährungs- und Sportberatung qualifiziert. Eine derartige Qualifikation liegt unstrittigerweise nicht vor, ebenso wenig entsprechen die vom Beklagten angewendeten Methoden der von ihm angesprochenen Sport- und Ernährungsmedizin. Die Unlauterkeit seines Verhaltens nach § 2 UWG war daher zu bejahen.