OGH-Entscheidung vom 24. Juni 2014, 4 Ob 65/14h

Sachverhalt:

Nach der Nationalratswahl 2013 überklebte die Medieninhaberin einer Tageszeitung an zahlreichen Standorten in Wien Plakatständer, die wahlwerbende Parteien im Zuge des Wahlkampfes mit eigenen Plakaten beklebt hatten. Auf diesen Plakaten bewarb sie ihre Tageszeitung:

heute

Die Medieninhaberin einer konkurrierenden Tageszeitung klagte auf Unterlassung und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Beklagte habe keine Bewilligung für die Benützung von Verkehrsflächen nach § 82 Abs 1 StVO eingeholt. Auch habe sie öffentlichen Gemeindegrund ohne Einholung einer Gebrauchserlaubnis nach dem Wiener Gesetz über die Erteilung von Erlaubnissen zum Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund und die Einhebung einer Abgabe hiefür gebraucht. Ihr fehlten daher erforderliche behördliche Bewilligungen für ihre Werbeaktion. Die Beklagte handle damit unlauter, weil sie gegen § 1 UWG verstoße.

Entscheidung:

Erst- und Rekursgericht gaben dem Sicherungsantrag in abgeänderter Form statt. Der Beklagten wurde es verboten, in Wien Ständer, Tafeln, Gerüste und sonstige Anlagen (ausgenommen Litfasssäulen), die ihrem Wesen nach zur Gänze oder doch zu einem wesentlichen Teil als Träger von Ankündigungen, Werbemitteilungen und sonstigen textlichen oder bildlichen Darstellungen bestimmt sind, auf öffentlichen Verkehrsflächen, in den von öffentlichen Verkehrsflächen einsehbaren Nahbereichen des öffentlichen Raumes, in öffentlichen Grünanlagen und in anderen Bereichen, die für das Stadtbild von Bedeutung sind, zu Werbezwecken für das periodische Druckwerk ‚H*****‘ zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.

Das Rekursgericht stützte sich dabei in erster Linie auf die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom 6. 5. 1980 betreffend die Freihaltung des Stadtbilds von störenden Werbeständern.

Der OGH wurde in weiterer Folge von beiden Parteien wegen der (Neu-)Fassung des Unterlassungsgebots durch das Rekursgericht befasst. Der OGH sprach dazu aus, dass ein Gericht zur Modifizierung und Neufassung eines Begehrens berechtigt ist, sofern es dem Begehren nur eine klarere und deutlichere, dem tatsächlichen Begehren und Vorbringen des Klägers entsprechende Fassung gibt. Bei der Neufassung des Spruchs hat sich das Gericht aber im Rahmen des vom Kläger Gewollten und damit innerhalb der von § 405 ZPO gezogenen Grenzen zu halten. Diese Grenze wird dann nicht überschritten, wenn der Spruch nur verdeutlicht, was nach dem Vorbringen ohnedies begehrt ist.

Ob die Beklagte verbotswidrig gehandelt hat, ist auf Sachverhaltsebene allein am Tatbestand jener Normen zu messen, die die Beklagte nach den Behauptungen im Sicherungsantrag übertreten haben soll. Der Sachvortrag der Klägerin umfasst als rechtserzeugende Tatsache den Vorwurf einer Gesetzesübertretung, der erst durch die Nennung der nach den Behauptungen übertretenen Normen konkretisiert und individualisiert wird und dessen Vorliegen allein am Verbotstatbestand der genannten Normen zu beurteilen ist. Der Vorwurf eines Verstoßes „gegen Normen der Rechtsordnung“ wäre hingegen unvollständig, da offen bliebe, welcher Verbotstatbestand das beanstandete Verhalten zum Rechtsbruch macht.

Im Ansatz verfehlt ist deshalb die Auffassung des Rekursgerichts, es sei Ausfluss der ihm obliegenden allseitigen materiell-rechtlichen Prüfungspflicht, den Vorwurf des Rechtsbruchs am Maßstab einer Norm (nämlich der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom 6. 5. 1980 betreffend die Freihaltung des Stadtbilds von störenden Werbeständern) zu beurteilen, die die Klägerin in ihrem Sachverhaltsvorbringen gar nicht erwähnt hat. Das Rekursgericht hat dadurch einen Normenverstoß als unlauterkeitsbegründend bejaht, den die Klägerin gar nicht behauptet hat und der Klägerin damit im Ergebnis etwas zugesprochen, wofür kein Antrag vorliegt.

Das Rekursgericht wird daher im fortgesetzten Rekursverfahren die Berechtigung des Sicherungsbegehrens (Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG durch Rechtsbruch) dadurch zu beurteilen haben, dass es das beanstandete und bescheinigte Verhalten der Beklagten am Maßstab der allein geltend gemachten Tatbestände der StVO und des Wr GebrAbgG misst.