Entscheidung des OPMS vom 11.12.2013, OBGM 1/13

Gebrauchsmusteranmeldung:

Die Antragstellerin meldete im Juli 2011 ein Gebrauchsmuster mit dem Titel „Verfahren zum Lösen gewöhnlicher Differentialgleichungen“ an. Die Technische Abteilung des Österreichischen Patentamtes wies die Anmeldung wegen mangelnder Technizität zurück. Die Rechtsmittelabteilung gab der dagegen von der Antragstellerin erhobenen Beschwerde nicht Folge. Das Vorhandensein eines Computers für sich allein begründe noch keine Technizität der Ansprüche.

Die Antragstellerin erhob gegen diese Entscheidung Beschwerde. Sowohl nach der deutschen Rechtsprechung als auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Patentamts werde bei Vorliegen auch nur eines einzigen technischen Merkmals samt nichttechnischen Merkmalen die Technizität prinzipiell bejaht. Da Neuheit und erfinderischer Schritt gemäß § 18 Abs 1 GMG nicht zu prüfen seien, sei die Zurückweisung unberechtigt.

Entscheidung:

Der OPMS (Oberster Patent- und Markensenat) erachtete die Beschwerde für nicht berechtigt.

Aus der Begründung:

Gemäß § 18 Abs 1 GMG ist die Anmeldung des Gebrauchsmusters vom Patentamt auf Gesetzmäßigkeit zu prüfen. Eine Prüfung auf Neuheit, erfinderischen Schritt, gewerbliche Anwendbarkeit sowie darauf, ob der Anmelder Anspruch auf Gebrauchsmusterschutz hat, erfolgt im Anmeldeverfahren jedoch nicht.

Bereits im Anmeldeverfahren ist jedoch der Frage nach der technischen Natur nachzugehen. Gemäß § 1 Abs 2 GMG wird auch eine Programmlogik als Erfindung angesehen, die Programmen für Datenverarbeitungsanlagen zugrunde liegt. Ausgeschlossen sind jedoch Computerprogramme, denen es an Technizität mangelt. Programme für Datenverarbeitungsanlagen per se werden gemäß § 1 Abs 3 Z 3 GMG ebenso wenig als Erfindungen angesehen wie die Wiedergabe von Informationen. Daraus folgt, dass der Anspruch auf eine Programmlogik nur dann zulässiger Inhalt einer Gebrauchsmusteranmeldung sein kann, wenn das zu schützende Computerprogramm (auch) einen technischen Inhalt hat.

Der Standpunkt der Antragstellerin, dass jedes technische Merkmal per se ausreichend sei, Technizität zu bejahen, ist entgegen der von ihr vertretenen Auffassung nicht durch die Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs bzw durch die von ihr zitierte Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts gedeckt:

Aus Sicht des BGH ist maßgebend, ob die Lehre bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Lösung eines über die Datenverarbeitung hinausgehenden technischen Problems dient.

Dass ein Verfahren bestimmungsgemäß den Einsatz eines Computers erfordert, reicht angesichts des Umstandes, dass Programme für Datenverarbeitungsanlagen per se nicht als Gebrauchsmuster registriert werden können, für die Bejahung der Technizität nicht aus.

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln Voraussetzung für die Patentierbarkeit ist. Dieser Grundsatz gilt auch für Gebrauchsmuster.

Die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts gelangte zum Ergebnis, dass gesichert sei, dass es für den technischen Charakter eines Programms nicht ausreiche, dass für die Formulierung des Computerprogramms technische Überlegungen in dem Sinn erforderlich sind, dass der Programmierer ein von einer Maschine ausführbares Verfahren entwirft. Das könne analog auch dahin ausgedrückt werden, dass dies nur gewährleistet sei, wenn das Schreiben des Programms „weitere technische Überlegungen“ erfordert.

Die von der Antragstellerin für das Gesetzmäßigkeitsprüfungsverfahren nach § 18 GMG gewünschte rein formale Betrachtung würde den vom Gesetzgeber in § 1 Abs 3 GMG geregelten Ausschluss bestimmter Tatbestände vom Gebrauchsmusterschutz konterkarieren. Formal könnte dann zB jede Entdeckung, jede mathematische Methode, jede ästhetische Formschöpfung, jedes Computerprogramm und jede Wiedergabe von Information mit technischen Merkmalen paraphrasiert und dadurch gebrauchsmustertauglich gemacht werden.

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Rechtsmittelabteilung zutreffend die Anmeldung verweigert. Programminhaltlich werden keine technischen Probleme gelöst. Die verschiedenen Anspruchskategorien beschreiben lediglich mögliche Einbettungen in für Computerprogramme vorhandene technische Umgebungen.