BGH-Entscheidung vom 18. Mai 2021 – VI ZR 441/19

 

Sachverhalt:

Der Kläger war in den 1980er Jahren Schüler der Odenwaldschule, wo er über mehrere Jahre sexuell missbraucht wurde. Seit über 20 Jahren machte er auf das Missbrauchsgeschehen aufmerksam und trug maßgeblich zu dessen Aufklärung bei. Er veröffentlichte auch autobiographisches Buch. 2012 legte er sein zunächst verwendetes Pseudonym ab. Im Jahr 2014 strahlte ein deutscher Fernsehsender den Spielfilm „Die Auserwählten“ aus. Der an Originalschauplätzen gedrehte Film thematisiert den sexuellen Missbrauch an der Odenwaldschule, wobei der Kläger als Vorbild für die zentrale Filmfigur zu erkennen ist. Der Kläger, der eine Mitwirkung an dem Film im Vorfeld abgelehnt hatte, hielt dies für einen unzulässigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht. Er begehrte, die weitere Verbreitung der entsprechenden Filmszenen zu unterlassen.

 

Entscheidung:

Das Landgericht Hamburg wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Der deutsche Bundesgerichtshof bestätigte heute die Vorentscheidungen.

In seiner Begründung führte der BGH aus, dass der Kläger sein Unterlassungsbegehren nicht auf sein Recht am eigenen Bild stützen kann und entschied damit in einer umstrittenen Rechtsfrage, dass eine als solche erkennbare bloße Darstellung einer realen Person durch einen Schauspieler in einem Spielfilm kein Bildnis der dargestellten Person ist. Dieser Schutz steht im Falle der als solche erkennbaren bloßen Darstellung einer Person durch einen Schauspieler dem Schauspieler zu, der in diesem Fall auch in seiner Rolle noch „eigenpersönlich“ und damit als er selbst erkennbar bleibt. Als Bildnis der dargestellten Person ist die Darstellung dagegen (erst) dann anzusehen, wenn der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst, wie dies etwa bei dem Einsatz eines Doppelgängers oder einer nachgestellten berühmten Szene oder Fotographie der Fall sein kann.

Der Anspruch ergab sich bei der gebotenen kunstspezifischen Betrachtungsweise auch nicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Der Kläger ist zwar durch die ausgeprägten Übereinstimmungen zwischen seinem Schicksal und der Darstellung der entsprechenden zentralen Filmfigur in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen. Jedoch wiegt diese Betroffenheit im Ergebnis und unter Berücksichtigung der von dem Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht so schwer, dass die Kunst- und Filmfreiheit dahinter zurücktreten müsste.

 

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 18.5.2021