OGH-Entscheidung vom 20.4.2021, 4 Ob 215/20a

 

Sachverhalt:

Der Kläger ist Berufsfotograf und stellte im Auftrag der Beklagten für deren Unternehmen im Rahmen der mehr als 15-jährigen Geschäftsbeziehung rund 250.000 Lichtbilder her. Die Streitteile trafen keine ausdrückliche Vereinbarung über den Umfang der der Beklagten eingeräumten Rechte. Die Rechnungen des Klägers an die Beklagte enthielten den Vermerk „Copyrights-Verwendungsrecht uneingeschränkt außer Plakate“. Die von ihm der Auftraggeberin übergebenen Dateien und Datenträger wiesen überwiegend keine Namensbezeichnung auf. Der Kläger fand sich mit der gelebten Geschäftspraxis ab. Diese bestand darin, dass die Beklagte seine Lichtbilder grundsätzlich uneingeschränkt (ausgenommen für Plakate, Messewände, Roll-Up-Citylight uä) verwendete, keine namentliche Nennung des Klägers als Urheber vornahm und die Lichtbilder auch an Dritte (Interessenten, Kunden, Partner, Presse) weitergab.

Vor einigen Jahren sollte die Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen verschriftlicht werden, es kam allerdings zu keiner Einigung, und die Zusammenarbeit wurde beendet.

Der Kläger klagte schließlich auf Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Rechnungslegung. Der Beklagten solle es verboten werden, Dritten Verwertungsrechte an den Fotos einzuräumen sowie Fotos ohne Urheberbenennung zu veröffentlichen.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der OGH wies die Revision des Klägers als unzulässig zurück. Denn durch die Einräumung eines Werknutzungsrechts wird ein absolutes Recht begründet. Es findet eine konstitutive Rechtsbegründung im Sinne einer Belastung des Urheberrechts statt. Der Urheber hat sich, soweit das Werknutzungsrecht reicht, so wie ein Dritter der Benutzung des Werks zu enthalten. Ein Werknutzungsrecht kann auch schlüssig eingeräumt werden. Bei Auftragswerken ist davon im Regelfall auszugehen. Die Befugnisse des Werknutzungsberechtigten aus einem solchen Werknutzungsvertrag reichen im Zweifel nicht weiter, als es für den praktischen Zweck der beabsichtigten Werknutzung erforderlich ist.

Im vorliegenden Fall wurden die Produktfotos interessierten Dritten zur Verfügung gestellt und nicht nur für den internen Gebrauch angefertigt. Daher konnte der OGH der Argumentation des Klägers nicht folgen, wonach die Einräumung von Nutzungsrechten an Dritte nicht vom anfänglichen Zweck der Vertragsbeziehung der Parteien umfasst gewesen sein soll.

Eine konkrete Vereinbarung zwischen den Parteien gab es zwar nicht, jedoch war keine Beschränkung auf den Zweck der ausschließlichen Werbung für die Beklagte vereinbart, sondern vielmehr ein umfassendes Nutzungsrecht. Nur Plakate, Messwände, Roll-Up-Citylight und dergleichen sollten ausgenommen sein. Auch der Zusatz „Copyright-Verwendungsrecht uneingeschränkt außer Plakate“ auf den Rechnungen des Klägers spricht für ein umfassendes Werknutzungsrecht.

Da der Kläger an keinem Foto einen am Bild sichtbaren Urhebervermerk einfügte und der Kläger auch nicht auf die Notwendigkeit der Herstellerbezeichnung hinwies, gingen Vorinstanzen und OGH davon aus, dass der Kläger auf sein Recht auf Urheberbezeichnung (§ 20 UrhG) schlüssig verzichtet hatte.

 

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