OGH-Entscheidung vom 15.3.2021, 4 Ob 221/20h

 

Sachverhalt:

Die Fassbinderei Pauscha wurde 1875 im Gebiet des heutigen Sloweniens als Familienbetrieb gegründet. Die Pauscha Fassbinderei GmbH wurde zuletzt ohne operative Beteiligung der Familie Pauscha geführt. Vor einigen Jahren wurde das Unternehmen geschlossen und die Gesellschaft aufgelöst. Die Unionsmarke „Pauscha Austria – since 1875“, eine Domain sowie die Maschinen wurden an ein italienisches Unternehmen verkauft. Diese italienische Gesellschaft gründete die Beklagte, die in Wolfsberg einen neuen Produktionsstandort aufbaute und drei Mitarbeiter der früheren Pauscha Fassbinderei GmbH übernahm.

Die Beklagte stellt ihre Holzfässer nunmehr nach der Tradition einer italienischen Familie her. Die von ihr hergestellten Holzfässer unterscheiden sich in mehreren Aspekten von den ursprünglichen Pauscha-Holzfässern. Die Eigenschaften von Weinfässern sind für Käufer (inbesondere Winzer) jedoch von großer Relevanz, weil sich die Bauweise auf den Geschmack des eingelagerten Weins auswirkt.

Auf ihrer Website führt die Beklagte unter anderem aus: „Unser traditioneller Handwerksbetrieb, Pauscha Austria, stellt seit 1875 Barriques und Fässer für die Verfeinerung von Weinen und Destillaten her. Das Unternehmen Pauscha Austria – since 1875 führt die langjährige Tradition der Fassbinderei fort.

Die Klägerin wurde 2011 von einem Mitglied der Familie Pauscha gegründet. Sie beantragte vor Gericht, die Unionsmarke der Beklagten für nichtig, in eventu für verfallen zu erklären. Die Beklagte nehme durch die Verwendung der Unionsmarke auf die Unternehmenstradition der Familie Pauscha seit 1875 Bezug. Dies sei irreführend.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erklärte die Marke für verfallen. Zudem gab es auch dem UWG-Begehren auf Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH befand die Revision der Beklagten für unberechtigt.

Gegenstand des hier vorliegenden Verfahrens ist die Entscheidung über den Verfall der Unionsmarke der Beklagten nach Art 58 Abs 1 lit c UMV, wonach ein Verfallsgrund gegeben ist, wenn die Marke in Folge ihrer Benutzung durch den Inhaber […] geeignet ist, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft dieser Waren oder Dienstleistungen irrezuführen. Das Tatbestandsmerkmal „infolge ihrer Benutzung“ stellt klar, dass die Irreführungseignung allein auf die Benutzung der Unionsmarke zurückzuführen sein darf und sich damit aus dem Zeichen selbst ergeben muss. Angaben außerhalb des Zeichens (etwa in der Werbung) oder konkrete Nutzungsarten (wie zB Weglassungen oder aufklärende Zusätze) haben unberücksichtigt zu bleiben.

Fehlvorstellungen des Publikums über die Unternehmenskontinuität oder sonstige unternehmensbezogene Täuschungen können für sich allein nicht zum Verfall einer Marke führen. Anderes gilt aber dann, wenn das Publikum mit dem hinter der Marke vermuteten Unternehmen (bzw vor allem bei einer Namens-Marke) eine besondere Qualität und Güte verbindet, die die Ware oder Dienstleistung tatsächlich nicht mehr aufweist.

Im Anlassfall ist eine Unionsmarke mit einer Traditionsangabe („since 1875“) zu beurteilen. Führt eine Traditionsangabe nachträglich zu Fehlvorstellungen des Publikums über Qualitätsmerkmale des gekennzeichneten Produkts, so wird nach den dargelegten Grundsätzen auch diese Irreführungseignung allein durch die Benutzung der Marke als solche herbeigeführt. Die hier zu beurteilende Unionsmarke verbindet den Familiennamen „Pauscha“ mit der Traditionsangabe „since 1875“ und nimmt damit auf die rund 150-jährige Familientradition der Familie Pauscha bei der Herstellung der bezeichneten Holzfässer Bezug. Eine derart lange Tradition im Fassbau verbindet das Publikum, auch wenn es sich dabei um Winzer handelt, mit besonderen Vorstellungen zur Qualität und Güte der bezeichneten Produkte, die sich darauf gründen, dass bei der Produktion auf eine besonders große Erfahrung zurückgegriffen werden kann und sich der Produktionsprozess bzw die dafür maßgebenden Qualitätsmerkmale über viele Jahrzehnte bewährt haben. In diesem Sinn ist in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass das Publikum mit dem Hinweis auf eine langjährige Tradition auch besondere Erfahrungen und Qualitätsvorstellungen verbindet.

Die Beklagte stellt aber keine Pauscha-Holzfässer her, sondern Fässer nach der Tradition einer italienischen Familie. Dafür verwendet die Beklagte eine andere Herstellungsart und dickere Hölzer. Diese Unterschiede wirken sich auf den Geschmack des Weines aus und geben diesem eine Geschmacksnote, die das Publikum gerade nicht mit der Verwendung von Pauscha-Holzfässern verbindet.

Die Irreführungseignung durch die Benutzung der in Rede stehenden Unionsmarke betrifft somit die Art und Beschaffenheit der gekennzeichneten Produkte iSd Art 58 Abs 1 lit c UMV, weshalb dieser Verfallsgrund vom OGH bejaht und die Marke für verfallen erklärt wurde.

 

Link zum Entscheidungstext

 

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