OGH-Entscheidung vom 26.1.2021, 4 Ob 218/20t

 

Sachverhalt:

Die Streitteile sind Medieninhaber zweier konkurrierender Online-Informationsportale.

Die Beklagte veröffentlichte einen Artikel über ein Interview des Bundeskanzlers auf CNN und hielt dazu auch den CNN-Beitrag als Video zum Abruf bereit. Vor dieser Veröffentlichung übermittelte der Pressesprecher des Bundeskanzlers die Videosequenz per E-Mail mit folgender Erklärung: „Hier der Link zum Download des Interviews – Bitte diesen Link nicht einbetten, sondern das Video runterladen und auf dem eigenen Kanal bzw der eigenen Website wieder hochladen. Sollte dies nicht möglich sein, kann unser YouTube-Video gerne verwendet und eingebettet werden.“

Die Klägerin beantragte vor Gericht, dass es der Beklagten verboten werden solle, für Dritte urheberrechtlich geschützte Bild- oder Bild-Tonsequenzen ohne Zustimmung des Urhebers zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte habe das in Rede stehende Video direkt aus dem Sendesignal von CNN erstellt.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Klägerin mangels erheblicher Rechtsfrage zurück.

Die Klägerin stützt das Klagebegehren auf den Vorwurf unlauteren Verhaltens durch Verletzung der einem Medienunternehmer gebotenen beruflichen Sorgfalt im Zusammenhang mit Urheberrechten Dritter. Die beruflichen Sorgfaltspflichten nach § 1 Abs 4 Z 8 UWG bestimmen sich nach den anständigen Marktgepflogenheiten im jeweiligen unternehmerischen Tätigkeitsbereich sowie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. Entscheidung HIER im Blog).

Bei Übernahme eines Bildsignals oder bei Veröffentlichung einer Videosequenz ist die Verletzung der beruflichen Sorgfalt zu verneinen, wenn sich der Beklagte zumindest dem Anschein nach mit guten Gründen auf die Zustimmung des Berechtigten stützen kann. Ein darüberhinausgehender Branchen-Usus dahin, dass sich ein Medienunternehmer vor Veröffentlichung einer Videosequenz von der Zustimmung des Berechtigten durch aktive Nachfrage beim Urheber vergewissern müsse, besteht nicht.

Im Anlassfall kommt es entscheidend auf die E-Mail-Erklärung des Pressesprechers des Bundeskanzlers an. Diese E-Mail konnte aufgrund der konkreten Anweisungen zur Veröffentlichung der übermittelten Videosequenz als Freigabe verstanden werden. Die Beklagte durfte daher auf eine entsprechende Rechteeinräumung vertrauen. Nach dem Inhalt der E-Mail-Erklärung hatte auch der Bundeskanzler selbst das Video über seinen YouTube-Kanal verbreitet und die Beklagte hätte auch darauf zurückgreifen dürfen.

Eine Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflichten durch die Beklagte aufgrund eines Verstoßes gegen die journalistische Sorgfalt im Sinn der §§ 6 Abs 2 Z 2 lit b und 29 Abs 1 MedienG lag nach Ansicht des OGH ebenfalls nicht vor. Das Gebot zur Einhaltung der journalistischen Sorgfalt erfordert, dass der Veröffentlichung auf Tatsachen gegründeter herabsetzender Äußerungen zumutbare und leicht durchführbare Recherchen vorangehen müssen und dem von einer solchen Berichterstattung Betroffenen grundsätzlich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss. Im Anlassfall durfte ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Journalist auf eine Rechteeinräumung vertrauen und musste daher nicht mit der Verletzung von Urheberrechten oder Leistungsschutzrechten rechnen.