OGH-Entscheidung vom 20.10.2020, 4 Ob 101/20m

 

Sachverhalt:

Ein Baumarkt beantragte die die Eintragung der Farbmarke RAL 2008 Orange in das österreichische Markenregister für Dienstleistungen der Klasse 35 (Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich von Bau- und Heimwerkerartikeln, hilfsweise Einzelhandelsdienstleistungen von Baumärkten).

Entscheidung:

Das Österreichische Patentamt sowie die Vorinstanzen versagten dem Unternehmen die Eintragung mangels Unterscheidungskraft und mangels Verkehrsgeltung der Farbmarke. Auch der OGH wies den Revisionsrekurs der Antragstellerin zurück.

Die Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH und der nationalen Gerichte zur Schutzfähigkeit von konturlosen Farbmarken fasste der OGH wie folgt zusammen:

Eine Farbe als solche kann für bestimmte Waren oder Dienstleistungen grundsätzlich Unterscheidungskraft haben, sofern sie Gegenstand einer grafischen Darstellung sein kann, die klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist. Die Bezeichnung der Farbe nach einem international anerkannten Kennzeichnungscode (wie auch hier – RAL) erfüllt diese Voraussetzung.

Die Zahl der Farben, die das allgemeine Publikum unterscheiden kann, ist niedrig, weil sich ihm selten die Gelegenheit zum unmittelbaren Vergleich von Waren mit unterschiedlichen Farbtönen bietet. Die geringe Zahl (für das Publikum) unterscheidbarer Farben führt zu einer Verringerung der tatsächlich verfügbaren Farben mit der Folge, dass mit wenigen Eintragungen von Marken für bestimmte Dienstleistungen oder Waren der ganze Bestand an verfügbaren Farben erschöpft werden könnte. Ein derartiges Monopol wäre mit dem System eines unverfälschten Wettbewerbs unvereinbar. Die Verfügbarkeit der Farbe soll für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt werden.

Farben kommt generell eine geringe Kennzeichnungseignung zu. Sie können zwar bestimmte gedankliche Verbindungen vermitteln und Gefühle hervorrufen. Sie sind aber ihrer Natur nach kaum geeignet, eindeutige Informationen zu übermitteln. Das gilt umso mehr, weil sie in der Werbung und bei der Vermarktung von Waren und Dienstleistungen wegen ihrer Anziehungskraft gewöhnlich in großem Umfang ohne eindeutigen Inhalt verwendet werden

Von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, kommt Farben nicht von vornherein Unterscheidungskraft zu. Im Falle sehr unüblicher Farbtöne oder bei einem sehr spezifischen Markt und einer sehr beschränkten Zahl der Waren oder Dienstleistungen können Farben jedoch unterscheidungskräftig sein. Unterscheidungskraft kann in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet wird, infolge ihrer Benutzung auch erworben werden. Entscheidend ist letztendlich, ob die Marke geeignet ist, die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung einem bestimmten Unternehmen zuzuordnen. Ob eine Marke infolge Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, ist etwa anhand folgender Anhaltspunkte zu prüfen: Dem Marktanteil der betreffenden Marke, der Intensität, geografischen Verbreitung und Dauer ihrer Benutzung, dem Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke, dem Wiedererkennungswert innerhalb der beteiligten Verkehrskreise sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen Berufsverbänden. Ergibt sich aufgrund dieser Gesichtspunkte, dass die beteiligten Verkehrskreise oder zumindest ein erheblicher Teil von ihnen die Ware oder Dienstleistung aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen, ist daraus der Schluss zu ziehen, dass die Marke nicht von der Eintragung ausgeschlossen ist. Ob die Unterscheidungskraft durch Benutzung als erfüllt anzusehen ist, kann daher nicht nur anhand von generellen und abstrakten Angaben, wie zB bestimmten Prozentsätzen, festgestellt werden.

Je stärker der bloß beschreibende Charakter ist, umso höher müsste der durch Benutzung erworbene Kennzeichnungsgrad sein; je größer das Freihaltebedürfnis und je geringer die Kennzeichnungskraft, desto höher muss die Verkehrsgeltung sein, um einen Schutz zu rechtfertigen. Der durch Benutzung erworbene Kennzeichnungsgrad, muss umso höher sein, je geringer die originäre Kennzeichnungskraft ist. Die Verfügbarkeit von Farben für andere Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, darf nicht ungerechtfertigt beschränkt werden. Diese Überlegungen zum Allgemeininteresse treffen auch auf Marken mit durch Benützung erworbener Unterscheidungskraft zu.

Das Rekursgericht ging von einem Marktanteil der im Bau- und Heimwerkerbedarfshandel tätigen Antragstellerin von 14,9 % sowie von einem Kennzeichnungsgrad der betreffenden Farbe von 41,6 % und einem Zuordnungsgrad von 38,6 % in Bezug auf Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich von Bau- und Heimwerkerartikeln (Hauptantrag) bzw einem Kennzeichnungsgrad von 48,2 % und einem Zuordnungsgrad von 42,2 % in Bezug auf Einzelhandelsdienstleistungen von Baumärkten (Eventualantrag) aus. Im Hinblick darauf, dass die Farbe Orange beliebt sei und auch von Mitbewerbern verwendet werde, genüge ein derartiger Kennzeichnungsgrad nicht, um Verkehrsgeltung für die Farbe annehmen zu können.

Der OGH bestätigte diese Entscheidung. Bei einem Kennzeichnungsgrad von unter 50 % sei die Verneinung erworbener Verkehrsgeltung im Hinblick auf die nicht erkennbare originäre Unterscheidungskraft des Zeichens und unter Einbeziehung eines Marktanteils von unter 15 % nicht korrekturbedürftig.