OGH-Entscheidung vom 23.9.2020, 7 Ob 23/20p

 

Sachverhalt:

Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer einer Generalunternehmerin eines Bauvorhabens. Der Kläger wurde durch eine der Versicherungsnehmerin zurechenbare Person schwer verletzt; aus der Verletzung resultieren Spät- und Dauerfolgen.

Die Beklagte veranlasste ärztliche Untersuchungen und zahlte 37.117,57 EUR an den Kläger. Zusätzlich verlangte der Kläger eine Erklärung, wonach die Beklagte die Haftung für etwaige Spät- und Dauerfolgen aus dem Unfall dem Grunde nach übernehme.

Ein (neuer) Schadensreferent der Beklagten – der nicht berechtigt war für die Beklagte Anerkenntnisse abzugeben – erklärte zweieinhalb Jahre nach dem Unfall zunächst, dass auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde. Auf erneute Aufforderungen erklärte der Schadensreferent Folgendes:

„Konstitutive Anerkenntniserklärung

Die [Beklagte] anerkennt als Haftpflichtversicherer der ARGE ***** die Haftung für alle vorfallskausalen Spät- und Dauerfolgen, die [der Kläger], resultierend aus dem am ***** auf der Baustelle in der *****, verursachten Unfalls erlitten hat und in Zukunft erleiden wird. Dieses Anerkenntnis gilt mit Wirkung und Umfang eines rechtskräftigen Feststellungsurteiles.“

Die Beklagte unterfertigte diese Anerkenntniserklärung nicht.

Der Kläger begehrte schließlich vor Gericht die Feststellung, dass die Beklagte für sämtliche aus dem Unfall resultierenden Spät- und Dauerfolgen haftet.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der OGH befand die Revision des Klägers für zulässig und auch berechtigt.

Der OGH hielt zunächst fest, dass die Erklärung des Schadensreferenten der Beklagten daher als konstitutives Anerkenntnis im Namen der Beklagten zu verstehen war. Eine wirksame Stellvertretung setzt neben dem Handeln des Stellvertreters im Namen des Vertretenen das Vorliegen von Vertretungsmacht voraus, die hinreichend offengelegt werden muss. Ein ohne ausreichende Vertretungsmacht gesetzter Geschäftsakt ist unwirksam, soweit nicht die Regeln der Handlungsvollmacht oder der Anscheinsvollmacht eingreifen. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass jemand nicht im eigenen Namen, sondern im Namen eines anderen als dessen direkter Stellvertreter gehandelt hat, trifft denjenigen, der daraus Rechte ableitet, hier also den Kläger.

Anscheinsvollmacht darf nach der Rechtsprechung nur dann angenommen werden, wenn aus dem Verhalten des Vertretenen selbst der Schluss abgeleitet werden kann, er habe dem Handelnden Vollmacht erteilt. Den österreichischen Gesetzen ist keine (allgemeine) Regulierungsvollmacht des Haftpflichtversicherers zu entnehmen. Es kommt auf die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegende Bedingungslage an.

Der Schadensreferent der Beklagten war nach den Feststellungen berechtigt, solche Anerkenntnisse im Namen des Versicherungsnehmers gegenüber den Geschädigten abzugeben. Diese Regulierungsvollmacht kommt dem Versicherer zu. Woraus der Geschädigte hätte erkennen können, dass der Schadensreferent von der Beklagten zwar bevollmächtigt war, in ihrem Namen, aber bloß den Versicherungsnehmer betreffend, handeln zu dürfen, nicht jedoch auch für sie selbst, war für den OGH nicht erkennbar. Setzt der Versicherer einen Schadensreferenten zur Abwicklung eines Versicherungsfalls ein, so hat er damit – wenn nichts anderes zu erkennen ist – gegenüber dem Versicherungsnehmer oder Dritten den Anschein erweckt, dass der Schadensreferent zur Abgabe von den Schadensfall betreffenden Erklärungen im Namen des Versicherers bevollmächtigt ist. Der OGH bejahte daher das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht.

Einem Feststellungsbegehren fehlt grundsätzlich das rechtliche Interesse, wenn der Schädiger gegenüber dem Geschädigten erklärt, seine Haftung für alle künftig aus der schädigenden Handlung entstehenden Schäden anzuerkennen und diese Schäden zu ersetzen; dies insofern als ein konstitutives Anerkenntnis anzusehen ist. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte jedoch sowohl vorprozessual als auch während des Prozesses dessen Gültigkeit bestritten. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung war daher gegeben.

Der OGH bejahte daher sowohl die Abgabe eines konstitutiven Anerkenntnisses der Beklagten selbst gegenüber dem Kläger als auch das rechtliche Interesse an der Feststellung dieser von der Beklagten übernommenen Haftung. Der OGH gab dem Klagebegehren folglich statt.