EuGH-Urteil vom 22.10.2020, Rechtssachen C‑720/18 und C‑721/18

 

Sachverhalt:

Die Ferrari SpA ist Inhaberin der Marke „testarossa“. Diese Marke wurde 1987 als internationale Marke für Waren der Klasse 12 eingetragen; u.a. für Fahrzeuge; Fortbewegungsvorrichtungen, insbesondere Automobile und Teile davon. Die gleiche Marke wurde 1990 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen: u.a. für Fahrzeuge sowie Teile davon.

Ferrari vertrieb von 1984 bis 1991 ein Sportwagenmodell unter der Bezeichnung „Testarossa“ und bis 1996 die Nachfolgemodelle 512 TR und F512 M. Im Jahr 2014 produzierte Ferrari ein Einzelstück mit der Modellbezeichnung „Ferrari F12 TRS“. Danach wurden die streitigen Marken nur noch zur Kennzeichnung von Ersatz- und Zubehörteilen für die unter diesen Marken zuvor vertriebenen, sehr hochpreisigen Luxussportwagen benutzt.

Das Landgericht Düsseldorf verurteilte Ferrari, in die Schutzentziehung bzw. die Löschung der beiden genannten Marken einzuwilligen. Ferrari habe diese Marken innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in Deutschland und der Schweiz nicht ernsthaft für die Waren genutzt, für die sie eingetragen seien.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf beschloss, dass Verfahren auszusetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

 

Entscheidung:

Nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 wird eine Marke für verfallen erklärt, wenn sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für ihre Nichtbenutzung vorliegen.

Der EuGH ging zunächst auf die Frage ein, ob  eine Marke „ernsthaft benutzt“ worden ist, wenn sie nur für bestimmte Waren – wie hochpreisige Luxussportwagen – oder nur für die Einzelteile oder das Zubehör einiger der genannten Waren benutzt wurde.

Eine Marke wird „ernsthaft benutzt“, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion benutzt wird, also die Ursprungsidentität der angebotenen Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern. Eine Marke muss tatsächlich geschäftlich verwertet werden. Der Umstand, dass die Benutzung der Marke keine neuen Waren betrifft, sondern bereits vertriebene Waren, nimmt ihr nicht den Charakter der Ernsthaftigkeit, wenn dieselbe Marke für Einzelteile dieser Waren tatsächlich benutzt wird und die Bedürfnisse der Abnehmer dieser Waren befriedigt werden.

Trotz der relativ geringen Zahl der verkauften Produktionseinheiten wurden die Marken nicht rein symbolisch benutzt, sondern entsprechend ihrer Hauptfunktion, so dass es sich hier um eine „ernsthafte Benutzung“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 handelt.

Der EuGH kam daher zu dem Ergebnis, dass eine „ernsthafte Benutzung“ einer Marke auch dann vorliegt, wenn sie nur für bestimmte Waren – wie hochpreisige Luxussportwagen – oder nur für Einzelteile oder Zubehör benutzt worden ist, es sei denn, Verbraucher sehen darin eine selbständige Untergruppe von Waren.

Im Hinblick auf den Vertrieb gebrauchter Markenwaren führte der EuGH aus, dass eine Marke für Waren benutzt werden kann, die unter dieser Marke bereits in den Verkehr gebracht wurden. Dass der Inhaber der Marke Dritten nicht verbieten kann, seine Marke für die unter dieser Marke bereits in den Verkehr gebrachten Waren zu benutzen, bedeutet nicht, dass er sie nicht selbst für solche Waren benutzen darf. Eine Marke kann daher von ihrem Inhaber auch dadurch ernsthaft benutzt werden, indem er gebrauchte, unter dieser Marke in den Verkehr gebrachte Waren vertreibt.

Zur Beweislast sprach der EuGH aus, dass den Inhaber einer Marke die Beweislast dafür trifft, dass die Marke im Sinne dieser Bestimmung „ernsthaft benutzt“ worden ist. Denn der Inhaber einer streitigen Marke ist nämlich am besten in der Lage, den Beweis für die konkreten Handlungen zu erbringen, dass seine Marke ernsthaft benutzt wurde.