OGH-Entscheidung vom 2.7.2020, 4 Ob 89/20x

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine politische Partei. Sie ist Inhaberin der Verwertungsrechte an einem Lichtbild, das den Pressesprecher eines Politikers zeigt. Dieses Lichtbild wurde auf einer Website veröffentlicht. Die Metadaten des Lichtbilds nennen den Beklagten als Hersteller. Wer Medieninhaber der genannten Website ist, konnte jedoch nicht festgestellt werden.

Der Beklagte speichert gelegentlich Screenshots von Internetseiten aus politischem Interesse, die er mitunter privat weitergibt und in geschlossene Facebook-Gruppen hochlädt.

Die Klägerin begehrte, dem Beklagten zu verbieten, das gegenständliche Lichtbild zu vervielfältigen und/oder der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Zudem begehrte sie die Urteilsveröffentlichung und die Zahlung von angemessenem Entgelt und Schadenersatz. Der Beklagte sei Medieninhaber der inkriminierten Website. Er hafte für die Urheberrechtsverletzung, wobei er zumindest Mittäter sei.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Klägerin sei der Anscheinsbeweis für eine Täterschaft oder Mittäterschaft des Beklagten nicht gelungen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Anscheinsbeweis zur Frage der Medieninhaberschaft sei zwar nicht zulässig, weil zwischen der Angabe des Beklagten als Lichtbildhersteller in den Metadaten und der Eigenschaft als Medieninhaber der inkriminierten Website kein typischer Geschehensablauf bestehe; die nichtkommerzielle Zurverfügungstellung von Lichtbildern in einer geschlossenen Facebook-Gruppe greife aber nicht in das Zurverfügungstellungsrecht des Urhebers gemäß § 18a UrhG ein, weil eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch gemäß § 42 Abs 4 UrhG vorliege.

Der OGH befand die Revision der Klägerin für zulässig, zufolge Verfahrensmängel mussten die Entscheidungen der Vorinstanzen in Stattgebung der Revision aufgehoben werden. Aus der Begründung:

Im Anlassfall sind zwei unterschiedliche Tathandlungen zu beurteilen. Einerseits die Veröffentlichung des gegenständlichen Lichtbilds auf der inkriminierten Website, andererseits dessen Veröffentlichung in einer Facebook-Gruppe.

Im Hinblick auf die Veröffentlichung des Lichtbilds auf der inkriminierten Website führte der OGH aus, dass zwischen dem Umstand, dass in den Metadaten bestimmter auf der inkriminierten Website veröffentlichter Lichtbilder eine bestimmte Person als Hersteller aufscheint, während es auf dieser Website auch Lichtbilder mit anderen Herstellerbezeichnungen gibt, und dem Umstand, wer als Medieninhaber der Website für den Inhalt verantwortlich ist, keine formelhafte Verknüpfung angenommen werden kann, die im Anlassfall für die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises sprechen würde. Der OGH stimmte daher der Ansicht des Berufungsgerichts zu, dass der Anscheinsbeweis im gegebenen Zusammenhang nicht zur Verfügung steht. In diesem Punkt kam den Revisionsausführungen zur Veröffentlichung des gegenständlichen Lichtbilds auf der inkriminierten Website daher keine Berechtigung zu.

Zur Veröffentlichung des gegenständlichen Lichtbilds in einer Facebook-Gruppe traf das Erstgericht die Negativfeststellung, dass nicht feststellbar sei, wie viele Personen Mitglieder in den vom Beklagten frequentierten Facebook-Gruppen seien. Das Berufungsgericht erachtete diese Negativfeststellung nicht für relevant, da seiner Ansicht nach eine Veröffentlichung des Lichtbilds in einer geschlossenen Facebook-Gruppe eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch gemäß § 42 Abs 4 UrhG sei. Der OGH beanstandete hier, dass weder die Streitparteien, noch die Vorinstanzen in dieser Hinsicht zwischen dem Zurverfügungstellungsrecht nach § 18a UrhG und dem Vervielfältigungsrecht nach § 15 leg cit differenziert haben.

Im beanstandeten Hochladen in eine Facebook-Gruppe kann ein Eingriff in das Zurverfügungstellungsrecht gemäß § 18a UrhG liegen. Wer unbefugt Lichtbilder in einen Internetauftritt zum interaktiven Abruf eingliedert, verstößt nämlich dann gegen dieses Verwertungsrecht, wenn die Lichtbilder dadurch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Handlung des „Zugänglichmachens“ liegt vor, wenn eine zuvor auf einer anderen Website veröffentlichte Fotografie auf eine Website eingestellt wird, nachdem sie zuvor auf einen privaten Server kopiert worden war. „Öffentlichkeit“ in diesem Sinn ist eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten, die aus einer ziemlich großen Zahl von Personen bestehen muss, die eine bestimmte Mindestschwelle überschreitet. Die Privatkopierausnahme nach § 42 UrhG kommt beim Zurverfügungstellungsrecht nach § 18a leg cit nicht als Rechtfertigungsgrund in Betracht.

Ein öffentliches Zugänglichmachen kann nur dann verneint werden, wenn sich das Zugänglichmachen entweder auf besondere Personen beschränkt, die durch eine persönliche Beziehung miteinander verbunden sind und daher einer privaten Gruppe angehören, oder wenn die im Einzelfall zu bestimmende Mindestschwelle nach Anzahl der Mitglieder nicht überschritten ist. Nach Auffassung des OGH kann zusammenfassend nur dann von einer privaten Facebook-Gruppe gesprochen werden, wenn ein persönliches Verbindungsmerkmal zwischen den Gruppenmitgliedern im Sinn eines besonderen Interesses oder eines besonderen Zwecks von vornherein vorgegeben ist, nur bei Vorliegen dieses Merkmals die Aufnahme in die Gruppe durch einen Gruppenadministrator erfolgt und die Teilnahme nur solange möglich ist, solange das verbindende Merkmal besteht. Außerdem darf eine – nach dem Gruppenzweck zu beurteilende – bestimmte Höchstzahl an Gruppenmitgliedern nicht überschritten werden. Es kommt somit auf das von vornherein festgelegte gemeinsame Interesse bzw den Gruppenzweck, die Beitrittsvoraussetzungen und -modalitäten, die Zusammensetzung der Gruppe und deren Mitgliederzahl an.

Der OGH erachtete die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach die Einstellung eines geschützten Lichtbilds in eine „geschlossene“ Facebook-Gruppe keine öffentliche Wiedergabe sein könne, als zu unbestimmt. Es fehlen konkrete Feststellungen zu Verbindungsmerkmalen zwischen den Gruppenmitgliedern. Insgesamt hielt die Entscheidung der Überprüfung durch den OGH nicht Stand und wurde zufolge primärer und sekundärer Verfahrensmängel aufgehoben.