OGH-Entscheidung vom 30.3.2020, 4 Ob 204/19g

 

Sachverhalt:

Der Beklagte ist Augenarzt und gleichzeitig 50%-Gesellschafter einer GmbH, die an derselben Adresse einen Optikerbetrieb führt. Eine weitere GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte ist, betreibt an dem Standort ein Kontaktlinseninstitut. Die Ordinationsräumlichkeiten des Beklagten grenzen unmittelbar an das Optikergeschäft. Auf der Straße gibt es jedoch keinen Hinweis auf das Optikergeschäft, es verfügt auch über einen getrennten Eingang. Aus der Augenarztordination kann allerding ungehindert in Richtung der Räumlichkeiten des Augenoptikbereichs geblickt und auch direkt dorthin gelangt werden. In der Arztordination werden keine Brillen verkauft.

Ein Wettbewerbsschutzverband klagte und begehrte im Wesentlichen, dem Beklagten zu untersagen, als Facharzt Werbung für den Augenoptikbetrieb und/oder für den Kontaktlinsenoptikbetrieb zu machen.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht verneinte die geltend gemachten Lauterkeitsrechtsverstöße und wies die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH befand die Revision des klagenden Wettbewerbsschutzverbandes für unzulässig. Aus der Begründung:

Der OGH hielt eingangs fest, dass die Revision nur dann zulässig gewesen wäre, wenn das Gericht zweiter Instanz seinen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Vertretbarkeitsfrage überschritten hätte.

Zu prüfen sei hier ein Verstoß gegen die Werbe-Verordnung 2014 der Österreichischen Ärztekammer, die verbindliches Standesrecht normiert. Wäre standeswidriges Verhalten geeignet, dem Beklagten einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor seinen Mitbewerbern zu verschaffen, so würde dies einen Verstoß gegen § 1 UWG begründen. Eine Verletzung standesrechtlicher Werberegeln ist nur dann unlauter, wenn sie auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.

§ 3 der geltenden Fassung der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger ärztlicher Informationen in der Öffentlichkeit (WerbeV 2014) lautet:

„Unzulässig ist die Werbung für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige medizinische Produkte sowie für deren Hersteller und Vertreiber. Zulässig ist die sachliche, wahre und das Ansehen der Ärzteschaft nicht beeinträchtigende Information über Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige Medizinprodukte sowie über deren Hersteller und Vertreiber in Ausübung des ärztlichen Berufes.“

Nach § 4 Z 5 WerbeV 2014 ist die Information über gewerbliche Leistungen oder Gewerbebetriebe zulässig, sofern sie im Zusammenhang mit der eigenen Leistung stehen.

Im vorliegenden Fall gibt es von der Straße aus oder im Haus keinen Hinweis auf den Optikerbetrieb. Aufgrund der mangelnden räumlichen Trennung kann man jedoch aus der Ordination in die Optikerräumlichkeiten sehen. Ebenso handelt es sich um dieselbe Person, die sowohl Facharzt für Augenheilkunde als auch Gesellschafter einer im Bereich der Augenoptik bzw Kontaktlinsenoptik tätigen GmbH ist. Beim ärztlichen Werbeverbot geht es aber nicht darum, Ärzten weitere Tätigkeiten zu verbieten, sondern darum, den lauteren Wettbewerb zu schützen.

In einer früheren Entscheidung hielt der OGH fest, dass der Schutzzweck des Werbeverbots in erster Linie in der Erhaltung der Entscheidungsfreiheit des Patienten besteht. Die Grenze zur unzulässigen „Werbung“ wird aber erst bei einem ungefragten Empfehlen bestimmter Betriebe oder bei sachfremden Motiven – insbesondere bei einem finanziellen Interesse – überschritten. Ebenso wenn eine Identifikation der Ärzte mit dem beworbenen Unternehmen naheliegt, etwa durch Fahrzeugbeklebung mit Werbefolien oder auch dem Auflegen von Werbefoldern eines einzigen Optikers am Infodesk in einer Ordination. Hingegen ist etwa eine sachliche Gemeinschaftshomepage ebenso zulässig wie eine Beschilderung im Haus, welche der Orientierung dient.

Der OGH hielt die Beurteilung des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall für nicht unvertretbar, zumal die (bloße) räumliche Nähe zwischen Arzt und Optiker im Allgemeinen keine Werbemaßnahme des einen für den anderen darstellt. Daher blieb es bei der Klagsabweisung.