OGH-Entscheidung vom 25.3.2020, 6 Ob 177/19a

 

Sachverhalt:

Der Beklagte war mit der Einstellung, Fütterung und Versorgung des Reitpferds der Klägerin betraut. Bei einem Unfall zog sich das Pferd Verletzungen zu, aufgrund derer es ein „Pflegefall“ ohne wirtschaftlichen Wert wurde und nicht mehr im Pferdesport verwendet werden konnte. Das Pferd benötigt Spezialnahrung, Medikamente, (Schmerz-)Behandlungen und eine regelmäßige adäquate Betreuung; es leidet aber nicht unter quälenden Schmerzen. Die Klägerin hatte das Pferd noch vor dem Unfall zum Verkauf angeboten und war mit einer Interessentin ins Gespräch gekommen, wobei es sich noch nicht um ein konkretes Verkaufsgespräch handelte. Aufgrund des Unfalls legte die Klägerin für das Aufsuchen des Pferds über 4.000 Kilometer mehr als üblich zurück.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 30.298,82 EUR und die Feststellung der Haftung des Beklagten für zukünftige Schäden aus dem Unfall. Die Klägerin brachte vor, diese Kosten wären ihr ohne den Unfall nicht entstanden, weil sie das Pferd verkauft hätte.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren zu etwas mehr als einem Drittel statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin wegen der Abweisung des restlichen Begehrens nicht Folge. Der OGH erklärte die Revision der Klägerin für zulässig und teilweise berechtigt. Aus der Begründung:

Zum Feststellungsbegehren führte der OGH aus, dass die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden voraussetzt, dass künftige Ersatzansprüche, insbesondere gesundheitliche Spät- oder Dauerfolgen, nicht ausgeschlossen werden können. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall schon deshalb erfüllt, weil das Pferd auch künftig Medikamente und (Schmerz-)Behandlungen benötigen wird und Folgeschäden aus der Verletzung nicht auszuschließen sind.

Gemäß § 6 Abs 1 Tierschutzgesetz (TSchG) ist es verboten, Tiere ohne vernünftigen Grund zu töten. Daher habe das Berufungsgericht das Feststellungsinteresse zu Unrecht mit der Begründung verneint, dass eine Tötung des invaliden Tieres das Entstehen weiterer Kosten verhindern würde. Ist die Tötung eines Tiers weder durch eine Rechtsnorm vorgesehen bzw für zulässig erklärt (etwa Schlachtung, Jagd oder Fischerei, etc), noch geboten (Nottötung), so ist das Vorliegen eines „vernünftigen Grundes“ im Einzelfall durch eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Tierschutzes zu beurteilen. Eine Erkrankung oder Verletzung rechtfertigt die Tötung eines Heimtiers – dazu zählen auch Reitpferde – dann, wenn der Zustand des Tieres mit Schmerzen oder Leiden verbunden ist und eine Therapie nach fachkundigem Urteil entweder nicht erfolgversprechend scheint oder unmöglich oder dem Tierhalter (insbesondere aus Kostengründen) nicht zumutbar ist. Innerhalb der Zumutbarkeitsgrenze normiert § 15 TSchG eine Behandlungspflicht.

Eine generelle Schadensminderungsobliegenheit des Geschädigten, ein verletztes Tier töten zu lassen, besteht nicht. Der OGH hat in früheren Entscheidungen bereits klargestellt, dass invalide Tier ohne Aussicht auf Heilung, die keinen „Nutzen“ mehr für den Tierhalter haben, auch angesichts der emotionalen Bindung zu seinem Tierhalter am Leben bleiben darf.

Nach § 1332a ABGB gebühren im Fall der Verletzung eines Tieres die tatsächlich aufgewendeten Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung auch dann, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen, soweit auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten diese Kosten aufgewendet hätte.

Dem festgestellten Sachverhalt war nicht zu entnehmen, dass das Pferd dauernde Schmerzen leiden würde. Zwar kann die Lahmheit nicht wieder beseitigt werden, Heilungskosten können aber etwa im Zusammenhang mit der Behandlung unfallkausaler Schmerzen oder von Folgeschäden auftreten. Dass eine Euthanasie des Pferds – das lediglich lahmt und nicht mehr geritten werden kann – bereits zum jetzigen Zeitpunkt zulässig wäre, nahm der OGH nicht an. Das Feststellungsinteresse der Klägerin wurde daher vom OGH bejaht, das Begehren sei allerdings nur hinsichtlich der zukünftigen Behandlungskosten berechtigt, die einem verständigen Tierhalters in der Lage des Geschädigten aufgewendet worden wären. Eine Haftung für den Ersatz sämtlicher unfallkausaler Schäden besteht hingegen nicht.

Zum begehrten Schadenersatz führte der OGH aus, dass im Hinblick auf den möglichen Verkauf des Pferdes noch keine konkreten Verkaufsverhandlungen geführt wurden. Ob ein Verkauf des Pferdes ohne den Unfall überhaupt zustande gekommen wäre, konnte daher nicht geprüft werden. Die Einstellungskosten sowie Kosten für den Hufschmied und Fahrtkosten wäre auch ohne den Unfall angefallen. Diese Aufwendungen erachtete der OGH daher ebenfalls als nicht ersatzfähig.