OGH-Entscheidung vom 22.2.2020, 4 Ob 211/19m

 

Sachverhalt:

Der Kläger vertreibt diverse Produkte aus Zirbenholz über einen Onlineversandhändler. Der Beklagte ist Inhaber von registrierten Gemeinschaftsgeschmacksmustern („ZirbenWürfel“ und „ZirbenKugel“). Die ausschließlichen Lizenzrechte daran räumte der Beklagte einer Lizenznehmerin ein. 2019 erklärte das EUIPO die Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGM) für nichtig. Diese Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.

Der erwähnte Onlineversandhändler bietet Händlern im Rahmen eines Beschwerdemanagements die Möglichkeit, mit Hilfe eines standardisierten Formulars einen Beschwerdefall zu melden und eröffnet ihnen so die Möglichkeit, etwaige Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten durch andere Händler zu melden. Der Beklagte machte von dieser Beschwerdemöglichkeit Gebrauch und erstattete unter Bekanntgabe seiner GGM „ZirbenWürfel“ und „ZirbenKugel“ eine Meldung, wonach die Artikel des Klägers seine diesbezüglichen (Design-)Rechte verletzten.

Der Kläger beantragte daraufhin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach dem Beklagten aufgetragen werden möge, die Behauptung zu unterlassen, seine GGM zu verletzen. Der Beklagte habe gegenüber dem Onlineversandhändler unwahre Tatsachen, nämlich den Verstoß gegen zu seinen Gunsten bestehende Schutzrechte behauptet und dadurch das Unternehmen des Klägers nach § 7 UWG unzulässig herabgesetzt. Die Vorgangsweise des Beklagten sei überdies aggressiv.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Das Rekursgericht erließ hingegen die einstweilige Verfügung. Der OGH befand den Revisionsrekurs des Beklagten für zulässig und auch berechtigt. Aus der Begründung:

Wird ein Dritter auf eine Störung eines Mitbewerbers hingewiesen, liegt eine sog „Abnehmerverwarnung“ vor. Diese wird so bezeichnet, weil sie sich idR an tatsächliche oder potenzielle Abnehmer wendet. § 7 UWG soll Mitbewerber davor schützen, gegenüber Dritten in unzutreffender Weise schlecht gemacht zu werden. Diese Bestimmung umfasst jede (unwahre) Tatsachenbehauptung über geschäftliche Verhältnisse, die zu einem Schaden des davon Betroffenen führen kann.

Bei der Meldung des Beklagten an den Onlineversandhändler handelt es sich um die Behauptung einer Rechtsverletzung. Fraglich war daher, ob diese Behauptung als Tatsachenbehauptung iSv § 7 UWG zu qualifizieren ist, und falls dies zutrifft, ob sie wahr ist.

Zu beurteilende Mitteilungen sind so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden. Für Rechtsfolgenbehauptungen – wie die hier aufgestellte Behauptung eines Schutzrechtseingriffs – gilt in dieser Allgemeinheit nicht, dass es sich dabei jedenfalls um Tatsachenbehauptungen handelt: Je nach der Lage des Einzelfalls können Äußerungen über die Rechtsfolgen einer bestimmten Gesetzeslage einmal Tatsachenbehauptungen, ein anderes Mal aber auch reine Werturteile sein. Je weniger die zu beurteilende Rechtsfolgenbehauptung nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht, je eingehender die Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses dargestellt werden, und je deutlicher zum Ausdruck kommt, dass eine subjektive Überzeugung im geistigen Meinungsstreit vertreten wird, umso eher wird ein reines Werturteil vorliegen.

Die Behauptung, ein Mitbewerber verletze Immaterialgüterrechte, wurde von der Rechtsprechung wiederholt von vornherein als Tatsachenbehauptung gewertet.

Die gegenständliche Behauptung des Beklagten, der Kläger verletze Musterrechte des Beklagten, hat insofern einen objektiv überprüfbaren Tatsachenkern, als er die implizite Behauptung umfasst, selbst im Besitz der fraglichen Schutzrechte zu sein. Die Wahrheit dieser Aussage ist nicht strittig, da die GGM noch nicht rechtskräftig gelöscht sind. Auch die ebenfalls implizite Behauptung, der Kläger vertreibe verwechselbar ähnliche Produkte, ist bis zu einem gewissen Grad einer objektiven Prüfung zugänglich.

Die Behauptung des Beklagten, die Produkte des Klägers seien vermehrungsfähig, ist als Werturteil zu qualifizieren, als es sich dabei um eine rechtliche Schlussfolgerung handelt und auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht. Ein Werturteil, also eine Äußerung, die sich als Ausdruck der subjektiven Meinung darstellt, begründet keinen Anspruch nach § 7 UWG. Dennoch dürfen auch Werturteile nicht schrankenlos öffentlich verbreitet werden, insbesondere dürfen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten und kein massiver Wertungsexzess geübt werden. Von einem Wertungsexzess und somit einem Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG kann hier nicht die Rede sein, findet doch die Behauptung des Eingriffs in Musterrechte des Beklagten in (wenn auch nicht rechtskräftigen) Gerichtsentscheidungen ihre Stütze.

Ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht (§ 7 oder § 1 Abs 1 Z 1 UWG) liegt daher nicht vor. Der Sicherungsantrag wurde daher vom OGH abgewiesen und die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt.