OGH-Entscheidung vom 19.12.2019, 4 Ob 226/19t

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist im Maschinenbau und im Maschinenhandel tätig. Der Beklagte war früher Vertreter der Klägerin und ist nunmehr Vertriebsleiter eines Konkurrenzunternehmens.

Während des aufrechten Vertragsverhältnisses zur Klägerin veröffentlichte der Beklagte im Internet auf seinem „LinkedIn-Account“ zwei Lichtbilder, die vom Geschäftsführer der Klägerin im Auftrag und im Namen der Klägerin angefertigt wurden. Ursprünglich reagierte der Geschäftsführer der Klägerin darauf mit einem „Like“.

Nach Ende der Vertragsbeziehung beantragte die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und klagte auf Unterlassung. Dem Beklagten seien keine Verwertungsrechte an den Bildern übertragen worden.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge und wies den Sicherungsantrag ab. Neben dem Urheberrecht des Fotografen könne es kein Leistungsschutzrecht des Unternehmers geben. Da der Klägerin kein Leistungsschutzrecht zustehe, fehle es dieser an der Aktivlegitimation. Der OGH erachtete diese Entscheidung für korrekturbedürftig und gab den Revisionsrekurs der Klägerin Folge. Aus der Begründung:

Die fraglichen Lichtbilder sind als Lichtbildwerke iSd § 3 Abs 1 UrhG zu qualifizieren. Lichtbilder sind dann als Lichtbildwerke zu beurteilen, wenn die eingesetzten Gestaltungsmittel eine Unterscheidbarkeit bewirken. Es bedarf keines besonderen Maßes an Originalität bzw Individualität. Entscheidend ist, dass eine individuelle Zuordnung zwischen Lichtbild und Fotograf möglich ist, indem dessen Persönlichkeit aufgrund der von ihm gewählten Gestaltungsmittel (zB Motiv, Beleuchtung, Perspektive, Bildausschnitt) zum Ausdruck gelangt. Im Anlassfall weisen beide Lichtbilder nach den angeführten Kriterien eine ausreichende Unterscheidbarkeit auf.

Lichtbildwerke iSd § 3 Abs 1 UrhG sind gleichzeitig auch Lichtbilder im Sinn des § 73 UrhG; sie genießen daher parallel zum urheberrechtlichen Schutz auch Leistungsschutz. Der Urheber eines Lichtbildwerks kann sich daher auch auf die Leistungsschutzrechte des § 74 UrhG berufen. Der Urheberrechtsschutz steht dem Urheber, das Leistungsschutzrecht grundsätzlich ebenfalls dem Hersteller zu (§ 74 Abs 1 Satz 1 UrhG). Bei Lichtbildern, die zu wirtschaftlichen Zwecken hergestellt wurden, gilt jedoch der Inhaber des Unternehmens als Hersteller (§ 74 Abs 1 Satz 2 UrhG). Er hat das ausschließliche Recht, das Lichtbild zu vervielfältigen, zu verbreiten, durch optische Einrichtungen öffentlich vorzuführen, durch Rundfunk zu senden oder der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Da die fraglichen Lichtbilder im Auftrag und Namen der Klägerin angefertigt wurden, steht der Klägerin aber jedenfalls das Werknutzungsrecht an den Lichtbildern und damit auch die Klagebefugnis zu.

Der OGH sah im Ergebnis einen Verstoß gegen das in § 18a UrhG geregelte Zurverfügungstellungsrecht durch den Beklagten verwirklicht. Gegen dieses Verwertungsrecht verstößt derjenige, der unbefugt Sprachwerke, Lichtbilder oder Filmwerke in einem Internetauftritt zum interaktiven Abruf eingliedert. Der OGH gab dem Revisionsrekurses der Klägerin daher statt und erließ die beantragte einstweilige Verfügung in modifizierter Form (Eingriff in das Verwertungsrecht nach § 18a UrhG).

Der OGH folgte dem Argument des Beklagten, wonach durch ein „Like“ des Geschäftsführers die Zustimmung zur fortdauernden Veröffentlichung der Lichtbilder auf dem LinkedIn-Account des Beklagten erteilt gewesen wäre, im Übrigen nicht. Einem „Like“ zu einem Posting in einem sozialen Netzwerk kann nicht die Bedeutung einer Willenserklärung beigemessen werden.