OGH-Entscheidung vom 21.1.2020, 1 Ob 163/19f

 

Sachverhalt:

Die Beklagte ist Medieninhaberin einer Tageszeitung. Die Beklagte veröffentlichte in einer Rubrik für Gesundheitstipps einen Beitrag von einem „Kräuterpfarrer“ mit dem Titel „Schmerzfrei ausklingen lassen – Eine Auflage aus geriebenem Kren“. Dem Beitrag war zu entnehmen, dass Rheumaschmerzen durch die Auflage von Kren gelindert werden können. Die Auflage solle zwei bis fünf Stunden auf der betroffenen Körperstelle belassen werden. Die im Beitrag angeführte Dauer für die Krenauflage war jedoch falsch: Anstelle von zwei bis fünf Stunden hätte es richtig zwei bis fünf Minuten lauten müssen.

Die Klägerin ist Abonnentin der Zeitung und las den Beitrag. Sie vertraute auf die Richtigkeit der angeführten Behandlungszeit und brachte die dort beschriebene Krenauflage an einer Körperstelle an. Sie beließ den Verband für etwa drei Stunden und nahm ihn erst ab, als es bereits zu starken Schmerzen gekommen war. Durch die im Kren enthaltenen scharfen Senföle war eine toxische Kontaktreaktion eingetreten. Für die erlittene schwere Körperverletzung begehrte sie vor Gericht Schadenersatz von der Beklagten.

 

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht gaben dem Klagebegehren nicht Folge. Der OGH entschloss sich, das Verfahren zu unterbrechen und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Zusammengefasst solle der EuGH beantworten, ob die Produkthaftungsrichtlinie (Richtlinie 85/374/EWG) dahin auszulegen ist, dass als (fehlerhaftes) Produkt auch ein körperliches Exemplar einer Tageszeitung anzusehen ist, die einen fachlich unrichtigen Gesundheitstipp enthält, dessen Befolgung einen Schaden an der Gesundheit verursacht?

Aus der Begründung:

Gemäß Art 2 Satz 1 der Produkthaftungsrichtlinie gilt bei Anwendung dieser Richtlinie als „Produkt“ jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet. Ein Teil der Fachliteratur beschränke die Haftung für Informationsträger auf jene Schäden, die durch ihre Körperlichkeit (zB giftiger Einband eines Buches oder giftige Druckfarbe) verursacht wurden. Andere bejahen die Produkthaftung auch wegen der fehlerhaften geistigen Leistung. Als Haftpflichtige sollen der Verlag, der Autor und die Druckerei in Frage kommen.

Druckwerke werden wegen ihres Inhalts gekauft und die Erwartungen der Verbraucher an das Produkt seien nicht nur, dass aus dem Druckwerk keine Klammern herausstehen, an denen sie sich verletzen können, sondern dass es den beworbenen Inhalt vermittelt. Speziell Handbücher, Anleitungen etc könnten nur deshalb vertrieben werden, weil die Endabnehmer erwarten, von ihnen korrekte Instruktionen zu erhalten. Gegen eine Haftung für eine falsche Information sprächen aber u.a. der Schutzzweck der Produkthaftung, wonach für die Gefährlichkeit der Sache gehaftet wird. Geistige Leistungen seien keine Produkte im gesetzlichen Sinn. Die Anknüpfung der Produkthaftung an die Verkörperung der Information sei willkürlich und ein solch weitgehenden Produktverständnisses könne in Grenzenlosigkeit ausufern.

Da die Lösung der Frage, ob der Inhalt einer Tageszeitung als Produkt anzusehen ist, für den OGH nicht klar und eindeutig möglich war, entschloss er sich, die Klärung dieser Rechtsfrage an den EuGH heranzutragen.

Sollte die Beklagte (als Herstellerin) die verschuldensunabhängige Haftung für den Inhalt ihrer Zeitung treffen, hätte sie nach Ansicht des OGH grundsätzlich für die Schäden infolge der Anwendung der unrichtigen Empfehlung einzustehen; und zwar unabhängig davon, ob die falsche Behandlungszeit bereits im Manuskript des „Kräuterpfarrers“ angeführt war oder sich erst durch einen Übertragungsfehler im Bereich der Beklagten einschlich.