EuGH-Urteil vom 29.1.2020, Rechtssache C‑371/18

 

Sachverhalt:

Sky ist Inhaber von vier Unionsmarken sowie von einer nationalen Wortmarke des Vereinigten Königreichs, die das Wort „Sky“ beinhalten. Diese Marken wurden für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen eingetragen, insbesondere aus den Klassen 9 und 38 der Nizza Klassifikation, darunter auch „Computersoftware“.  Sky macht in seinen Kerngeschäftsbereichen – nämlich Fernsehübertragung, Telefonie und Breitbandbereitstellung – umfangreichen Gebrauch von den Marken.

SkyKick bietet Produkte basierend auf einer Software im Sinne einer Service-basierten Anwendung (software as a service oder SaaS) sowie Cloud-Dienstleistungen an.

Sky klagte SkyKick wegen Verletzung der Sky-Marken.

Im Rahmen des Verfahrens erhob SkyKick daher Widerklage auf Nichtigerklärung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Marken. Denn die Sky-Marken wurden von Sky nicht für alle vom Markenschutz umfassten Waren und/oder Dienstleistungen benutzt und es gebe auch keine Hinweise dafür, dass dies zukünftig beabsichtigt sei.

Der High Court of Justice (England & Wales) legte das Verfahren dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

 

Entscheidung:

Der EuGH hielt zunächst fest, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Marken in der Zeit von April 2003 bis Oktober 2008 angemeldet wurden. Daher kämen die Gemeinschaftsmarkenverordnung Nr. 40/94 und die Markenrichtlinie 89/104/EWG zur Anwendung (die zwischenzeitlich beide ersetzt wurden).

Im Hinblick auf die konkrete Formulierung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses hielt der EuGH weiters fest, dass mangelnde Klarheit und Eindeutigkeit der Begriffe, die für die Bezeichnung der von einer Marke erfassten Waren und Dienstleistungen verwendet werden, nicht als Grund für die Ungültigkeit bzw. Nichtigkeit der betroffenen nationalen Marke oder Gemeinschaftsmarke angesehen werden kann. (Konkret ging es um die Frage, ob ein Begriff wie „Computersoftware“ zu allgemein formuliert ist.)

Der EuGH fügte vorsorglich hinzu, dass eine Marke für verfallen erklärt werden kann, wenn sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist. Wenn der Grund für die Verfallserklärung einer Marke nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen vorliegt, kann die Marke nur für diese Waren oder Dienstleistungen für verfallen erklärt werden.

Insgesamt ergebe sich aus den rechtlichen Bestimmungen, dass eine Marke, die für eine Gruppe von Waren oder Dienstleistungen eingetragen ist, deren Bezeichnung es an Klarheit und Eindeutigkeit mangelt, jedenfalls nur für die Waren und Dienstleistungen schutzfähig ist, für die sie ernsthaft benutzt worden ist.

Zur Frage, ob die Anmeldung einer Marke ohne Benutzungsabsicht bösgläubiges Handeln darstellt, hielt der EuGH zunächst fest, dass der Begriff „bösgläubig“ weder in der Verordnung Nr. 40/94 noch in der Richtlinie 89/104 definiert wird. Der EuGH jedoch hat bereits entschieden, dass bei der Auslegung des Begriffs „bösgläubig“ neben dem Umstand, dass er in seiner üblichen Bedeutung im gewöhnlichen Sprachgebrauch eine unredliche Geisteshaltung oder Absicht voraussetzt, der besondere markenrechtliche Kontext, nämlich der des Geschäftslebens, zu berücksichtigen ist. Jedes Unternehmen muss die Möglichkeit haben, Zeichen als Marken eintragen zu lassen, die es dem Verbraucher ermöglichen, dessen Waren oder Dienstleistungen ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer Herkunft zu unterscheiden. Wenn sich aus schlüssigen und übereinstimmenden Indizien ergibt, dass der Inhaber einer Marke die Anmeldung nicht mit dem Ziel eingereicht hat, sich in lauterer Weise am Wettbewerb zu beteiligen, sondern mit der Absicht, in einer den redlichen Handelsbräuchen widersprechenden Weise Drittinteressen zu schaden, finden die absoluten Nichtigkeits- bzw. Ungültigkeitsgründe Anwendung.

Ein Markenanmelder verfügt über einen Zeitraum von fünf Jahren, um eine tatsächliche Benutzung aufzunehmen, die der Hauptfunktion der Marke entspricht. Er muss daher zum Zeitpunkt seiner Markenanmeldung weder angeben noch genau wissen, wie er die angemeldete Marke benutzen wird. Die Bösgläubigkeit eines Markenanmelders kann daher nicht auf der Grundlage der bloßen Feststellung angenommen werden, dass der Anmelder bei der Anmeldung keinen Geschäftsbereich hatte, der den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen entsprach. Der Nichtigkeits- bzw. Ungültigkeitsgrund käme auch nicht auf die Marke insgesamt zur Anwendung, sondern nur auf die betroffenen Waren oder Dienstleistungen.

Insgesamt kam der EuGH daher zu dem Ergebnis, dass die Anmeldung einer Marke ohne die Absicht, sie für die von der Eintragung erfassten Waren und Dienstleistungen zu benutzen, bösgläubiges Handeln im Sinne dieser Bestimmungen darstellen kann, wenn der Anmelder der betreffenden Marke die Absicht hatte, entweder in einer den redlichen Handelsbräuchen widersprechenden Weise Drittinteressen zu schaden oder sich auch ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken zu verschaffen. Bezieht sich die fehlende Absicht, die Marke entsprechend den wesentlichen Funktionen einer Marke zu benutzen, nur auf einige der von der Markenanmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen, stellt diese Anmeldung nur insoweit bösgläubiges Handeln dar, als sie diese Waren oder Dienstleistungen betrifft.