OGH-Entscheidung vom 27.1.2019, 4 Ob 84/19k

 

Sachverhalt:

Der klagende Verein ist die Interessenvertretung der österreichischen Psychotherapeuten.

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMASGK) veröffentlicht eine öffentlich zugängliche Liste der im Inland eingetragenen Psychotherapeuten. In dieser Liste werden in reiner Textform Vor- und Familienname, Geschlecht, Zusatzbezeichnung, Berufssitz und/oder Dienstort der erfassten Personen angeführt. Die Liste enthält keine Informationen über Zusatzausbildungen, Arbeitsschwerpunkte, Krankenkassenabrechnung und freie Plätze.

Die Beklagten betreiben ein Online-Verzeichnis von Psychotherapeuten in Österreich. Die Daten wurden aus der Liste des BMASGK eingeholt, ohne zuvor die Zustimmung der darin enthaltenen Personen einzuholen.

Die Plattform bietet eine kostenfreie Variante sowie auch kostenpflichtige Pakete (Basis, Top, Premium) an. Die mit der kostenpflichtigen Buchung erweiterter Pakete angebotenen Zusatzleistungen umfassen ua die Vorreihung und Hervorhebung in den Suchergebnissen, die Aufnahme eines Profilbilds bis hin zu einer Galerie und die Veröffentlichung von Zusatzinformationen (Publikationen, Verlinkung mit Homepage und Blogartikel).

Der Kläger beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Beklagten sollen es unterlassen, personenbezogene Daten in ihrem Online-Verzeichnis anzuführen, ohne vorab die Zustimmung der Betroffenen einzuholen; bzw. den Wettbewerb von Psychotherapeuten zu fördern, die in ihrem Online-Verzeichnis mit bezahlten Profilen gegenüber kostenlosen (zustimmungslosen) Profilen vorgereiht werden.

Das beanstandete Verhalten verstoße gegen datenschutzrechtliche Vorgaben, standesrechtliche Vorgaben, gegen das Verbot vergleichender und marktschreierischer Werbung sowie gegen das Verbot der unsachlichen Informationserteilung. Durch diese Verstöße gegen datenschutz- und standesrechtliche Bestimmungen verschafften sich die Beklagten einen unlauteren Wettbewerbsvorsprung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH befand den Revisionsrekurs des Klägers für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur lauterkeitsrechtlichen Verfolgbarkeit von Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen fehlt; aber nicht für berechtigt. Aus der Begründung:

Zum Verstoß gegen das Datenschutzrecht führte der OGH aus, dass dem klagenden Verband die Aktivlegitimation für die Geltendmachung von Datenschutzrechten Dritter fehlt. Denn das Recht auf Datenschutz ist ein Persönlichkeitsrecht und ein Grundrecht nach Art 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. § 28 DSG (Vertretung von Betroffenen durch einen Datenschutzverband) regelt die Vertretung von betroffenen Personen ausschließlich in Verfahren über Beschwerden vor der Datenschutzbehörde. Nach Art 80 Abs 2 DSGVO können die Mitgliedstaaten zwar vorsehen, dass bestimmte Einrichtungen auch ohne Auftrag der betroffenen Person Rechte durchsetzen können. Österreich hat von dieser Ermächtigungsklausel jedoch keinen Gebrauch gemacht und hat zur Durchsetzung von Ansprüchen nach der DSGVO in Österreich keine Verbandsklage vorgesehen. Ein unlauterer Rechtsbruch nach § 1 UWG (aufgrund einer DSGVO-Verletzung) wurde aus demselben Grund verneint.

Zum Verstoß gegen Standesrecht führte der OGH aus, dass eine Verletzung standesrechtlicher Werberegeln nur dann unlauter ist, wenn sie auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht. In einer früheren Entscheidung hat der OGH bereits ausgesprochen, dass bei der Prüfung, ob in einer Werbeaussendung Werbung für einen bestimmten [Arzt] persönlich gemacht wird, darauf abzustellen ist, welchen Eindruck die Ankündigung auf ihren Durchschnittsadressaten vermittelt. Bei einem (wie hier streitgegenständlichen) umfassenden Verzeichnis von Psychotherapeuten entsteht nicht der Eindruck, es werde darin für bestimmte Therapeuten geworben. Zusammenfassend verletzen die Veröffentlichungen der Beklagten (Vorreihungen, Zusatzinformationen über „Zahlkunden“) keine standesrechtlichen Vorschriften. Dass die Plattform unsachliche Informationen (§ 16 PsychotherapieG) enthielte, sei nicht erkennbar. Die Inhalte werden auch durch ein Lichtbild nicht marktschreierisch.

Auch der Ansicht des Klägers, dass für die Nutzer nicht erkennbar sei, dass die Vorreihung Resultat einer Entgeltzahlung sei und daher unlautere Irreführung vorliege, folgte der OGH nicht. Maßfigur für die lauterkeitsrechtliche Prüfung einer gegenüber Verbrauchern angewendeten Geschäftspraktik sei ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher. Für den durchschnittlichen Nutzer eines kostenlos zugänglichen Verzeichnisses sei durch den Umstand, dass sich vorgereihte Einträge durch aufwendigere Gestaltung von den nachgereihten unterscheiden, ausreichend erkennbar, dass es sich um kostenpflichtige Einträge handle. Diese mittlerweile gängige Praxis sei den Nutzern bekannt. Insofern liege keine unlautere Irreführung vor.