OGH-Entscheidung vom 27.11.2019, 6 Ob 156/19p

 

Sachverhalt:

Der klagende Gemeindeverband ist der Träger eines Bezirkskrankenhauses. Sein Obmann ist ein dort tätiger Arzt.

Die Beklagte betreibt ein regionales Online-Magazin. Registrierte Nutzer können dort in Form von Postings eigene Beiträge und Kommentare unter Artikel posten. Mitarbeiter kontrollieren diese Postings nach „Hausverstandskriterien“ (nicht beleidigend, nicht persönlich untergriffig und dergleichen). Etwaig rufschädigendes, sexistisches und rechtsradikales Material wird aussortiert und gar nicht erst veröffentlicht.

Für eine Registrierung als Nutzer ist es nötig, einen beliebig kreierten Benutzernamen und eine E-Mail-Adresse anzugeben. Ebenso Straße, Postleitzahl, Wohnort und Land. Die Angaben können dabei frei erfunden sein, sofern sie formalen Kriterien genügen, denn deren Richtigkeit wird nicht überprüft.

Von der Beklagten war bereits öfters kritisch über den Arzt berichtet worden. Nach Aufforderung des Klagevertreters wurde hinsichtlich eines konkreten Beitrags eine Gegendarstellung veröffentlicht sowie ein Teil eines kritischen Postings gelöscht. Die Beklagte weigerte sich jedoch, Namen und Adresse des Posters herauszugeben.

Der klagende Verband begehrte schließlich gerichtlich die Herausgabe.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab der Klage wiederum statt. Der OGH hielt die Revision der Beklagten für zulässig und berechtigt. Aus der Begründung:

Der klagende Verband stützt sein Herausgabebegehren ausdrücklich auf § 18 Abs 4 ECG. Da die Beklagte es Internet-Nutzern ermöglicht, von ihnen eingegebene Informationen in ihrem Online-Diskussionsforum auf ihrer Website zu speichern, ist sie Host-Provider im Sinn des § 16 ECG.

Nach § 18 Abs 4 ECG haben die in § 16 ECG genannten Diensteanbieter den Namen und die Adresse eines Nutzers ihres Dienstes auf Verlangen dritten Personen zu übermitteln, sofern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts sowie überdies glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet.

Eine Berufung des Host-Providers auf das Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG ist dann unzulässig ist, wenn ein Posting in keinerlei Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit steht; allein das Zurverfügungstellen des Online-Forums (unmoderiertes Forum) reicht nicht aus, um den notwendigen Mindestzusammenhang zur Tätigkeit der Presse herzustellen. Dieser Grundsatz wurde vom OGH bereits auf jene Fälle ausgedehnt, in denen die Beiträge nicht unmittelbar veröffentlicht, sondern vor der Freischaltung einer Kontrolle unterzogen und bei Bedarf entfernt wurden. Bei der Vorabprüfung wie die Beklagte sie vornimmt, wird kein engerer Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit hergestellt. Die Beiträge werden nicht mitgestaltet, es gibt keine journalistische Überprüfung des Geschriebenen und es gibt keinen Austausch zwischen dem Poster und dem Journalisten (in dem eine etwaige Vertraulichkeit zugesichert werden könnte). Die Postings werden unverändert oder eben gar nicht veröffentlicht. Es liegt keinerlei echte „redaktionelle“ Tätigkeit vor, die durch das MedienG geschützt werden soll.

Der als Anspruchsgrundlage für das Auskunftsbegehren des klagenden Verbands dienende § 18 Abs 4 ECG spricht lediglich von einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des überwiegenden rechtlichen Interesses an der Feststellung der Identität eines Nutzers, hinsichtlich eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts und hinsichtlich des Umstands, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet. Die konkrete Rechtsverletzung (Verstoß gegen §1330 ABGB – Ehrenbeleidigung/Kreditschädigung) ist damit nicht im Auskunftsverfahren näher zu prüfen, sondern erst im Verfahren gegen den konkreten Poster. Voraussetzung ist lediglich, dass aufgrund einer groben Prüfung eine Verurteilung nach § 1330 ABGB nicht gänzlich auszuschließen ist.

Im vorliegenden Fall schrieb der Nutzer „Abgesehen davon hört man immer öfter, dass man das BKH eher meiden soll, außer es ist ein Notfall!“. Bereits zuvor hatte eine Tageszeitung unter Bezugnahme auf den Obmann des klagenden Verbands  berichtet, dass immer mehr Patienten die Unfallchirurgie an diesem Krankenhaus meiden würden, weshalb dieses nun gegensteuern und den Ruf verbessern wolle.

Der OGH kam daher zu dem Ergebnis, dass der Nutzer nicht etwa selbst dem Krankenhaus einen Vorwurf gemacht, schlechte ärztliche Leistungen zu erbringen oder Ähnliches, sondern in der Tagespresse von Verantwortlichen des BKH selbst erörterte Umstände wiedergegeben. Eine Verurteilung des Users erschien dem OGH damit schon allein im Hinblick auf die subjektive Tatseite unmöglich. Daher stellte der OGH die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichts wieder her.