OGH-Entscheidung vom 29.8.2019, 6 Ob 152/19z

 

Sachverhalt:

Die Medieninhaberin einer österreichischen Tageszeitung veröffentlichte ein Foto der Klägerin, um ein Gewinnspiel zu bewerben.

Die Klägerin stützt ihre Klage und ihren Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung primär auf § 78 UrhG und auf § 1041 ABGB. Die Beklagte wendet im Wesentlichen ein, dass der Bestimmung des § 78 UrhG durch die DSGVO und das Medienprivileg des § 9 Abs 1 DSG materiell derogiert worden sei. § 78 UrhG sei nur noch auf Gemälde, Grafiken, Plastiken oder analoge Fotos anzuwenden. Auch die Bestimmungen der DSGVO seien nicht anwendbar, weil § 9 Abs 1 DSG eine Totalausnahme für journalistische Inhalte vorsehe. Daher sei § 78 UrhG nicht anwendbar und die Bestimmungen der DSGVO würden der Verwendung des Bildes aufgrund des Medienprivilegs ebenso wenig entgegenstehen.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und untersagte der Beklagten, Fotos der Klägerin ohne deren Zustimmung zu Werbezwecken zu verwenden. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH befand den Revisionsrekurs der Beklagten für unzulässig. Aus der Begründung:

Der OGH führte zunächst aus, dass es der Auffassung der Beklagten jeglicher Grundlage fehle. Sie stütze sich auf eine Einzelmeinung in der Literatur, die vom OGH nicht geteilt werde.

Wie bereits in einer früheren Entscheidung ausgeführt, geht der OGH von einem Nebeneinander zwischen § 77 UrhG und den datenschutzrechtlichen Bestimmungen aus. Für die Bestimmung des § 78 UrhG kann nichts anderes gelten. Für die parallele Anwendung des § 78 UrhG und der DSGVO spricht, dass § 78 UrhG primär persönlichkeitsrechtliche und nicht datenschutzrechtliche Aspekte regelt. Die Bestimmungen haben unterschiedliche Regelungsbereiche, verfolgen verschiedene Zwecke und sehen demgemäß unterschiedliche Ansprüche vor. Auch die überwiegende Lehre vertritt eine parallele Anwendbarkeit. So wird argumentiert, dass § 78 UrhG eine Spezialnorm im Verhältnis zu den datenschutzrechtlichen Bestimmungen ist.

Der Vorrang des Europarechts bedeute nicht, dass nationales Recht gegenstandslos werde. Entscheidend für das Verhältnis zwischen § 78 UrhG und DSGVO sei der Anwendungsbereich der Letzteren. Außerhalb einer in Art 85 DSGVO erwähnten Nutzungsform (zB journalistische Nutzung) habe daher das allgemeine Datenschutzrecht Vorrang; umgekehrt bleibe es jedenfalls im Bereich der journalistischen Nutzung bei einer Anwendung des § 78 UrhG.

Der OGH hielt es für nicht nachvollziehbar, weshalb das Medienprivileg (Art 85 DSGVO, § 9 DSG) in der geltenden Fassung nunmehr persönlichkeitsrechtlichen Bestimmungen derogieren soll. Aus Gesetzesmaterialen lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber nicht von einer Derogation nationaler persönlichkeitsrechtlicher Schutzbestimmungen durch die DSGVO ausgeht.

Eine materielle Derogation des § 78 UrhG durch die DSGVO ist im Übrigen auf Basis der innerstaatlichen Rechtslage schon deshalb nicht möglich, weil § 9 Abs 1 DSG wesentliche Teile der DSGVO im Bereich des Journalismus für unanwendbar erklärt.

Der OGH beanstandete die von den Vorinstanzen vorgenommene Interessenabwägung daher nicht, zumal die Fotos der Klägerin von der Beklagten eindeutig lediglich zu Werbezwecken für das Gewinnspiel verwendet wurden. Schutzwürdige Interessen der Beklagten, die höher als das Persönlichkeitsrecht der Klägerin einzustufen wären, konnte der OGH nicht erblicken.

Im Übrigen würde sich auch bei Anwendung der DSGVO keine abweichende Beurteilung ergeben. Die Voraussetzungen, unter denen eine Verarbeitung als rechtmäßig angesehen werden kann, sind in Art 6 Abs 1 DSGVO geregelt. Darunter fällt auch der Fall, dass die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Bei Verwendung eines Bildes für Werbezwecke ohne Zustimmung des Abgebildeten wird daher auch bei einer Interessenabwägung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO das Interesse des Abgebildeten auch im Anwendungsbereich der DSGVO regelmäßig höher zu bewerten sein als das des Verwenders des Bildes.