OGH-Entscheidung vom 28.5.2019, 4 Ob 248/18a

 

Sachverhalt:

Die Beklagte, ein Bestattungsunternehmen, steht zu 99 % im Eigentum einer Holding einer niederösterreichischen Stadt; 1 % hält die Stadt unmittelbar. Sie verwaltet den städtischen Friedhof. Auf dem Friedhofsgelände befindet sich die einzige Aufbahrungshalle der Stadt. Die Aufbahrungshalle steht im Eigentum der Beklagten, die auch die Kosten für die laufende Instandhaltung trägt. Die Durchführung einer Sargbestattung ist nur unter Benützung der Aufbahrungshalle zulässig.

Die Klägerin betreibt ein Bestattungsunternehmen. Beabsichtigt die Klägerin eine Bestattung unter Benützung der Aufbahrungshalle, muss sie diese Nutzung bei der Beklagten zu einem bestimmten Termin reservieren und die gesetzlich vorgesehenen Gebühren bezahlen. Darüber hinaus verlangt die Beklagte für durch ihr Bestattungsunternehmen erbrachte Leistungen einen Fixpreis von 440 EUR für „Aufbahrung“ und „Personal“. Diese Leistungen kann die Klägerin nicht abbestellen.

Die Klägerin sah darin ein wettbewerbswidriges Verhalten und klagte auf Unterlassung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab der Klage hingegen statt. Die Beklagte verquicke ihre amtliche mit ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit, indem sie die Benützung der Aufbahrungshalle von der entgeltpflichtigen Bestellung von Leistungen ihres Bestattungsbetriebs abhängig mache. Damit nütze sie ihre öffentlich-rechtliche Befugnis zur Vergabe der Bestattungstermine und ihre Monopolstellung als Eigentümerin der Aufbahrungshalle zum Nachteil der Klägerin. Die Klägerin werde dadurch wirtschaftlich genötigt, dieses Entgelt auf ihre Kunden zu überwälzen. Sie könne daher ihre Leistungen nicht zu einem geringeren Preis anbieten als der Bestattungsbetrieb der Beklagten.

Der OGH lies die Revision der Beklagten zu, befand sie aber nicht für berechtigt. Aus der Begründung:

Eine privatwirtschaftlich tätig werdende öffentlich-rechtliche Körperschaft darf nicht jene Machtmittel, die ihr die öffentlich-rechtliche Stellung gibt, zur Förderung ihres privaten Wettbewerbs ausnützen. Unlauter ist insbesondere die Verquickung amtlicher Pflichten mit erwerbswirtschaftlichen Interessen.

Die Beklagte besorgt einerseits die dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzuordnende Friedhofsverwaltung, andererseits betreibt sie im Rahmen privatwirtschaftlicher Betätigung ein Bestattungsunternehmen. Die vertraglichen Bedingungen über die verrechneten „Zusatzleistungen“ schließ sie im Rahmen ihrer Privatautonomie ab. Damit unterliegt die beanstandete Vertragsgestaltung mit ihren Kunden einer lauterkeitsrechtlichen Kontrolle.

Anderes gilt für den Betrieb und die Zurverfügungstellung der Aufbahrungshalle. Nach § 23 Abs 1 NÖ BestattungsG 2007 sind Betreiber von Friedhöfen und Krematorien verpflichtet, eine Aufbahrungshalle oder eine Leichenkammer zu betreiben. Bedient sich eine Gemeinde für den Betrieb einer Aufbahrungshalle oder Leichenkammer eines Dritten, ist dieser verpflichtet, die Nutzung für alle Berechtigten zur Aufbahrung von Leichen zuzulassen. Die Beklagte bestreitet daher zu Unrecht ihre Monopolstellung mit dem untauglichen Argument, es sei dem Kläger auch möglich, seine Leistungen „in anderen Gemeinden“ anzubieten: Als Eigentümerin der einzigen Aufbahrungshalle in der betreffenden Stadt ist jedes Bestattungsunternehmen bei Durchführung einer Sargbestattung in dieser Stadt auf diese Halle angewiesen.

Gemeinden sind berechtigt, für die Benützung der Aufbahrungshalle eine bescheidmäßig festzusetzende Gebühr vorzusehen. Dies hat die betreffende Stadt getan und schreibt diese Gebühr auch regelmäßig durch die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Friedhofsverwaltung den Bestattungsunternehmen vor. Damit ist aber eine Einordnung der Überlassung der Halle als privatwirtschaftliche Tätigkeit ausgeschlossen. Ein dem Privatrecht unterliegendes Entgelt darf nur für darüber hinaus gehende Leistungen eingehoben werden (§ 35 Abs 2 NÖ BestattungsG 2007).

Die Beklagte macht die Überlassung der Aufbahrungshalle davon abhängig, dass die Klägerin gleichzeitig einen Vertrag über „zusätzliche“ Leistungen schließt. Damit liegt die Koppelung einer öffentlich-rechtlich begründeten Überlassungsverpflichtung mit dem Abschluss eines privatrechtlichen Vertrags vor.

Koppelungsangebote sind nach neuerer Rechtsprechung des Senats nur bei Hinzutreten besonderer Umstände unlauter, so etwa bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Das kann auch bei der öffentlichen Hand der Fall sein.

Die öffentliche Hand handelt dann unlauter, wenn sie die Einhaltung ihrer im öffentlichen Recht vorgesehenen Verpflichtungen davon abhängig macht, dass bei einem von ihr betriebenen Unternehmen zusätzliche Leistungen abgenommen werden. Darin liegt ein Missbrauch ihrer öffentlich-rechtlichen Machtmittel und eine unzulässige Verquickung amtlicher Pflichten mit erwerbswirtschaftlichen Interessen.

Solches unlauteres Verhalten ist der Beklagten vorzuwerfen und als unlautere Geschäftspraktik iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu untersagen.