BGH-Urteile vom 6.6.2019, I ZR 206/17 und I ZR 60/18

 

Sachverhalt:

Die Beklagten betreiben Apotheken. In einer Apotheke wurden Kunden anlässlich des Erwerbs eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Gutschein ausgehändigt, der bei einer in der Nähe der Apotheke gelegenen Bäckerei eingelöst werden konnte. In der anderen Apotheke wurde Kunden eine Vergünstigung in Form von Ein-Euro-Gutscheinen gewährt. Die Kunden konnten den Gutschein bei einem weiteren Einkauf in der Apotheke einlösen.

Die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs klagte auf Unterlassung. Den Beklagten solle es untersagt werden, den Verkauf rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel mit der kostenfreien Abgabe eines Brötchen-Gutscheins bzw. Ein-Euro-Gutscheinen zu verknüpfen.

 

Entscheidung:

In beiden Fällen kam der BGH zu dem Ergebnis, dass es wettbewerbsrechtlich unzulässig ist, wenn Apotheken ihren Kunden beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geringwertige Werbegaben wie einen Brötchen-Gutschein oder einen Ein-Euro-Gutschein gewähren, weil beide Werbegaben gegen die geltenden Preisbindungsvorschriften verstoßen.

Aus der Begründung:

Die Zugabe eines Brötchen-Gutscheins beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels verstoße gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel. Bei diesen Vorschriften handele es sich um Marktverhaltensregelungen, so dass ein solcher Verstoß zugleich wettbewerbswidrig sei. Die frühere Rechtsprechung habe zwar im Blick darauf, dass die Zuwendung geringwertiger Kleinigkeiten beim Erwerb von Arzneimitteln nach dem Heilmittelwerbegesetz zulässig gewesen sei, die Spürbarkeit eines Verstoßes gegen das Arzneimittelpreisrecht verneint. Daran könne aber nicht mehr festgehalten werden, nachdem das Heilmittelwerbegesetz dahingehend ergänzt wurde, dass entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Zuwendungen oder Werbegaben unzulässig seien.

Zu derselben Ansicht gelangte der BGH im Parallel-Verfahren, in dem zu prüfen war, ob eine von Apotheken gewährte Vergünstigung in Form von Ein-Euro-Gutscheinen zulässig ist:

Bei einer Werbung für Arzneimittel im Sinne des § 2 dAMG dürfen Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) nur angeboten, angekündigt oder gewährt werden, wenn eine der gesetzlich ausdrücklich geregelten Ausnahmen vorliegt.

Bei diesem grundsätzlichen Verbot der Wertreklame handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann Unterlassungsansprüche begründen. Die Regelung des Heilmittelwerbegesetzes soll der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden. Außerdem soll damit ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert und eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden.

Der Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung ist schließlich geeignet, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Der Umstand, dass es sich sowohl bei einem Brötchen-Gutschein als auch bei einem Ein-Euro-Gutschein um Werbegaben von geringem Wert handelt, ändert daran nichts. Die eindeutige gesetzliche Regelung, nach der jede Gewährung einer Zuwendung oder sonstigen Werbegabe im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes, die gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, unzulässig ist, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß als nicht spürbar eingestuft und damit als nicht wettbewerbswidrig angesehen wird. Ein Abstellen auf die finanzielle Geringwertigkeit der Werbegabe ist ausgeschlossen, nachdem die Preisbindung nach dem Willen des Gesetzgebers strikt einzuhalten ist.

 

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 6.6.2019