OGH-Entscheidung vom 25.4.2019, 4 Ob 250/18w

 

Sachverhalt:

Der Kläger ist Fotograf. Er fertigte 2016 auf dem „Akademikerball“ in der Wiener Hofburg ein Lichtbildwerk an, das im Vordergrund die beiden Politiker Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer zeigt. Der Kläger hat der APA gestattet, sein Lichtbildwerk zu veröffentlichen und weiterzuverbreiten, und zwar unter der Lizenzbedingung, dass der Kläger jeweils als Urheber genannt wird. Daraufhin versandte die APA das Lichtbildwerk unter Hinweis auf diese Bedingung an ihre Mitglieder. Es wurde in der Folge für das Cover des Nachrichtenmagazins „Profil“ verwendet.

Der Beklagte betreibt in einem Tiroler Wintersportort eine Musikbar. Ein Mitarbeiter des Beklagten bastelte mit diesem Foto folgende Collage, die er an der Eingangstür der Bar befestigte:

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Obmann der Tiroler FPÖ postete Fotos des Plakats auf seiner Facebook-Seite. An den Folgetagen wurde über diese Aktion österreichweit in verschiedenen Medien berichtet.

Der Kläger begehrte vom Beklagten u.a. die Unterlassung der Benutzung ohne ihn als Urheber zu nennen sowie der Bearbeitung seiner Lichtbildwerke, Urteilsveröffentlichung und Zahlung von Schadenersatz.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab nur dem Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Benutzung (ohne den Kläger als Urheber zu nennen) statt. Das Berufungsgericht gab auch dem Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Bearbeitung sowie dem Begehren auf Zahlung von immateriellem Schadenersatz statt.

Der OGH gab der Revision des Beklagten Folge. Aus der Begründung:

§ 21 Abs 1 UrhG ist eine dem Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts dienende Vorschrift, die verhindern soll, dass ein Werk der Öffentlichkeit in einer anderen Form dargeboten wird, als dies dem Willen des Urhebers entspricht. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch schon mehrfach die Verwendung von fremden Lichtbildern im Rahmen eigener Meinungsäußerungen im politischen Diskurs als durch Art 10 MRK gedeckt beurteilt. Vor diesem Hintergrund erachtete er auch die beanstandete Verwendung des Lichtbilds des Klägers unter dem Aspekt der Meinungsfreiheit als grundsätzlich gerechtfertigt; das Lichtbild wurde auch durch die Art und das Umfeld der Nutzung nicht entstellt.

Im Anlassfall hat der Kläger in Ausübung seines Berufs ein Lichtbild von zwei der FPÖ angehörenden Regierungsmitgliedern als Besucher des „Akademikerballs“ angefertigt und der Austria Presse Agentur gestattet, dieses Lichtbild (wohl entgeltlich) unter ihren Mitgliedern (Medienunternehmen) weiterzuverbreiten. Dass er damit „ein Werk ohne politische Aussage geschaffen“ habe, wie er in der Revisionsbeantwortung meint, sah der OGH als unzutreffend an, da die genannte Ballveranstaltung seit vielen Jahren regelmäßig Gegenstand öffentlicher politischer Berichterstattung und Kommentierung ist.

Auch das – im beanstandeten Plakat verwendete – Lichtbild wurde zur Covergestaltung eines politischen Magazins verwendet und mit einer provokanten Bildunterschrift versehen. Bei dieser Sachlage kann diese Form der Werkverwendung vom Urheber nicht untersagt werden.

Entgegen der Auffassung des Klägers haben weder das Durchstreichen seines Werks noch die in dessen Umfeld angebrachten grafischen Zusätze seine geistigen Interessen am Lichtbild so massiv beeinträchtigt, dass das Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung dahinter zurückzustehen hätte. Der Grad der schöpferischen Eigenart seines Lichtbildwerks ist nämlich insofern nicht stark ausgeprägt, als es sich um ein typisches Pressefoto von Politikern im öffentlichen Raum handelt, bei dem eher der Anlass und gesellschaftliche Rahmen als die künstlerische Gestaltung im Vordergrund steht (Schnappschuss). Die in der beanstandeten Verwendung des Werks vorgenommenen Veränderungen sind im Lichte dieses künstlerischen Gesamteindrucks keinesfalls intensiv oder sinnentstellend, weil die Abgebildeten trotz Anfertigung eines kreisrunden Ausschnitts und Durchstreichens weiterhin erkennbar sind.

Eine die Interessen des Klägers als (Presse-)Fotograf beeinträchtigende unzulässige Verknüpfung seiner Person als Urheber des Lichtbilds mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus liegt bei objektiver Beurteilung des Plakats nicht vor.

Da keine Verletzung nach § 21 UrhG vorliegt, kommt als Anspruchsgrundlage nur der rechtskräftig festgestellte Verstoß gegen das Recht auf Urheberbezeichnung (§ 20 UrhG) in Betracht. Diese Rechtsverletzung ist allerdings nicht als derart ernste Beeinträchtigung und so gravierender Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht des Klägers zu beurteilen, dass er den mit jeder Zuwiderhandlung verbundenen natürlichen Ärger überschreitet. Damit besteht auch kein Anspruch auf ideellen Schadenersatz nach § 87 Abs 2 UrhG.

Der OGH gab der Revision des Beklagten somit Folge und stellte das Urteil des Erstgerichts wieder her.