OGH-Entscheidung vom 20.02.2019, 3 Ob 224/18i

Sachverhalt:

Ein Ehepaar interessierte sich für den Kauf eines Hauses und kontaktierte zu diesem Zweck den inserierenden Immobilienmakler. Der Erstbeklagte rief das Maklerbüro an und erhielt in weiterer Folge ein E-Mail-Angebot. Dieses enthielt Hinweise auf die Grundlagen der Maklerprovision, Belehrungen über Rücktrittsrechte nach FAGG und KSchG sowie einem Muster-Rücktrittsformular. Allerdings langte dieses E-Mail im „Spam-Ordner“ des E-Mail-Accounts ein, was der Erstbeklagte jedoch nicht bemerkte. Der Erstbeklagte rief daher einige Tage später neuerlich beim Maklerbüro an und ersuchte um nochmalige Zusendung der Unterlagen, die am Folgetag (30. August) durchgeführt wurde und ebenfalls in seinem „Spam-Ordner“ landete. Schließlich wurde telefonisch ein Besichtigungstermin vereinbart. Bei diesem Termin (2. September) wurde der Erstbeklagte auf das Einlangen der E-Mails in seinem „Spam-Ordner“ aufmerksam gemacht.

Eine Woche nach der Besichtigung nahmen die Beklagten (unter Umgehung des Maklers) direkten Kontakt mit der Verkäuferin des Hauses auf, einigten sich über den Kaufpreis und klärten die Finanzierung. Der Rechtsanwalt, der für die Beklagten den Kaufvertrag errichtete, erläuterte ihnen (am 16. September) das 14-tägige Rücktrittsrecht gegenüber dem Makler und verfasste noch am selben Tag eine Rücktrittserklärung im Namen beider Beklagten.

Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Anspruch der Klägerin auf Maklerprovision gegen die beklagten Eheleute.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren jedoch Folge. Es sei den Beklagten bei der Kontaktaufnahme mit dem Mitarbeiter der Klägerin eindeutig erkennbar gewesen, dass dieser für seine Bemühungen auch eine Provision von den Beklagten erwarte; sie hätten auch selbst damit gerechnet. Mit der telefonischen Vereinbarung des Besichtigungstermins sei jedenfalls ein Maklervertrag mit beiden Beklagten zustande gekommen. Der Rücktritt sei verspätet.

Der OGH wies die Revision der Beklagten zurück. Aus der Begründung:

Für den Zugang elektronischer Willenserklärungen in den Machtbereich des Empfängers ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Mailbox des Empfängers jedenfalls dann zu seinem Machtbereich gehört, wenn er zu erkennen gegeben hat, dass er über die E-Mail-Adresse erreichbar ist. Eine E-Mail ist für den Empfänger in dem Zeitpunkt abrufbar, in dem sie in seiner Mailbox eingelangt und gespeichert ist und am Bildschirm angezeigt oder ausgedruckt werden kann, das heißt, sobald ein Abruf durch den Empfänger möglich ist. Allgemein reicht es aus, wenn eine Willenserklärung in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, selbst wenn sie dieser persönlich nicht erhalten hat; es genügt, dass der Adressat die Möglichkeit hatte, die Erklärung zur Kenntnis zu nehmen.

Nach der Bestimmung des § 12 Satz 1 ECG gelten elektronische Vertragserklärungen, andere rechtlich erhebliche elektronische Erklärungen und elektronische Empfangsbestätigungen als zugegangen, wenn sie die Partei, für die sie bestimmt sind, unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. Eine Kenntnisnahme dieser Erklärungen durch den Empfänger wird daher nicht vorausgesetzt; maßgeblich ist vielmehr die Möglichkeit der Kenntnisnahme „unter gewöhnlichen Umständen“.

Insofern ist (auch) das Einlangen der Erklärungen im „Spam-Ordner“ des Empfängers an der von diesem angegebenen E-Mail-Adresse als wirksamer Zugang zu beurteilen.

Die vom Mitarbeiter der Klägerin dem Erstbeklagten übermittelten Unterlagen (einschließlich des Hinweises auf die Provision sowie der Belehrungen über Rücktrittsrechte) sind nach den Feststellungen bereits bei der ersten vom Mitarbeiter der Klägerin veranlassten Sendung (am 18. August) sowie neuerlich am 30. August  in der Mailbox des Erstbeklagten eingelangt.

Die Beklagten haben daher die 14-tägige Frist für eine Rücktrittserklärung nicht eingehalten.

Der Verlauf der wechselseitigen Erklärungen (Telefonate und E-Mail-Erklärungen vor dem Besichtigungstermin) wurden als konkludenter Abschluss eines Maklervertrags qualifiziert.