OGH-Entscheidung vom 29.1.2019, 4 Ob 242/18v

Sachverhalt:

Die Rechtsanwaltskammer Oberösterreich klagte einen Rechtsanwalt, der insbesondere als Strafverteidiger auftritt. Im Juni 2018 wurde in einer Tageszeitung ein Artikel zum Thema „Verfahrenshilfe“ veröffentlicht, wo der beklagte Rechtsanwalt mit folgender Aussage zitiert wurde: „Da soll dann plötzlich ein Spezialist für Wirtschaftsrecht als Strafverteidiger agieren. Das wäre in etwa so, als müsste ein Zahnarzt eine Augenoperation vornehmen.

Die Klägerin beantragte, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung die geschäftliche Aussage zu verbieten, nicht auf Strafverteidigung spezialisierte Rechtsanwälte könnten Mandanten in einem Strafverfahren nicht ordentlich vertreten.

Entscheidung:

Die Vorinstanzen gaben dem Sicherungsbegehren statt. Der OGH wies den Revisionsrekurs des Beklagten mangels erheblicher Rechtsfrage zurück. Aus der Begründung:

Welchen Eindruck eine Aussage dem Leser vermittelt, ist danach zu prüfen, wie sie ein durchschnittlich informierter und verständiger Adressat bei Aufwendung einer dem Anlass angemessenen Aufmerksamkeit verstehen musste. Der Beklagte habe mit der beanstandeten Aussage gegenüber dem Leserpublikum den Eindruck vermittelt, nicht auf Strafrecht spezialisierte Rechtsanwälte könnten einen Mandanten in einem Strafverfahren nicht sachgerecht vertreten. Diese Aussage sei im Kern auf eine irreführende Behauptung zurückzuführen, zumal in Österreich kein System der Fachanwälte etabliert sei.

OGH und Vorinstanzen erkannten zwar an, dass sich der Beklagte an einer öffentlichen Debatte beteiligt hat. Es wurde jedoch angenommen, dass mit der Aussage des Beklagten die Förderung des Wettbewerbs einer besonderen Berufsgruppe (hier jene der Strafverteidiger) und damit des eigenen Wettbewerbs des Beklagten gefördert werden sollte.

Die im Hinblick auf Art 10 EMRK vorzunehmenden Interessenabwägung ergab, dass irreführende Behauptungen oder pauschalierende Abwertungen nicht durch die Freiheit der Meinungsäußerung gedeckt sind.

Die beanstandete Aussage des Beklagten sei zur spürbaren Beeinflussung des Wettbewerbs geeignet, weil sie potenzielle Klienten zur Beauftragung eines auf Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalts oder sogar des Beklagten, der im beanstandeten Artikel als „Staranwalt“ bezeichnet wird, veranlassen könnte. Der OGH schloss sich dieser Auffassung der Vorinstanz an.