OGH-Entscheidung vom 29.01.2019, 4 Ob 239/18b

Sachverhalt:

Ein im Jahr 1997 gegründetes Bauunternehmen klagte ein beinahe gleichnamiges Bauunternehmen, das seit dem Jahr 2014 im selben Bundesland (Kärnten) tätig war. Die Beklagte solle es u.a. unterlassen, Dienstleistungen unter einer verwechselbar ähnlichen Bezeichnung zu erbringen.

Das Landesgericht Klagenfurt wies die Klage a limine zurück, weil eine Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts geltend gemacht werde, wofür gemäß § 53 JN das Handelsgericht Wien ausschließlich zuständig sei.

Aufgrund eines Überweisungsantrags der Klägerin hob das Landesgericht Klagenfurt die Zurückweisung auf und überwies die Rechtssache gemäß § 230a ZPO an das nicht offenbar unzuständige Handelsgericht Wien.

Die Beklagte erhob in ihrer Klagebeantwortung unter Hinweis auf § 51 Abs 2 Z 10 JN den Einwand der örtlichen (und sachlichen) Unzuständigkeit.

Die Klägerin berief sich in einer freigestellten Äußerung darauf, dass die Rechtsansicht des Landesgerichts Klagenfurt richtig sei.

Das Handelsgericht Wien wies die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit zurück und verpflichtete die Klägerin zum Ersatz der Kosten der Klagebeantwortung. Weder aus dem Wortlaut noch aus den erläuternden Bemerkungen zu § 53 JN lasse sich eindeutig ableiten, was unter den dort genannten „gewerblichen Schutzrechten“ zu verstehen sei.

Einen nachfolgenden Antrag der Klägerin auf (Rück-)Überweisung der Rechtssache an das Landesgericht Klagenfurt wies das Erstgericht mit gesondertem und inzwischen rechtskräftigem Beschluss als verspätet iSd § 261 Abs 6 ZPO zurück, weil ein solcher bereits mit der freigestellten Äußerung hätte gestellt werden können und müssen.

Das Rekursgericht bestätigte die Klagszurückweisung.

Entscheidung:

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Klägerin war zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Aus der Begründung des OGH:

Die Klägerin macht geltend, dass der Begriff „gewerbliche Schutzrechte“ nicht nur sondergesetzlich geregelte Immaterialgüterrechte umfasse, sondern auch die in § 9 UWG genannten Unternehmenskennzeichen.

Der OGH hielt jedoch die gegenteilige Auffassung der Vorinstanzen für zutreffend. § 51 JN, in dem die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte geregelt ist, bestimmt u.a., dass Streitigkeiten wegen unlauteren Wettbewerbs […] vor die Handelsgerichte gehören. Mit der Patent- und Markenrechts-Novelle 2014 wurde durch § 53 JN eingeführt, dass in Streitigkeiten über die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten das Handelsgericht Wien in erster Instanz ausschließlich zuständig ist.

Mit der Novelle 2014 wurde zudem § 56a MSchG geschaffen, der vorsieht, dass für Klagen und einstweilige Verfügungen nach diesem Abschnitt ausschließlich das Handelsgericht Wien zuständig ist.

Das Rekursgericht schloss aus Lehrmeinungen und Judikatur, dass kein erklärter Wille des Gesetzgebers nachweisbar sei, wonach mit § 53 JN eine ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien für Streitigkeiten, die über die in den Materiengesetzen gesondert geregelten hinausgehen, begründet werden sollte, insbesondere für einzelne Ansprüche nach dem UWG, wie sie pauschal in § 51 Abs 2 Z 10 JN (ausgenommen Arbeitsrechtssachen) angeführt seien. Auch dem Entwurf zur UWG-Novelle 2018 sei kein derartiges Verständnis zu entnehmen. Eine Verweisung von § 9 UWG an das Handelsgericht Wien möge zwar im Sinne einer Konzentration der Streitigkeiten über die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten beim Handelsgericht Wien liegen, allerdings konkurriere § 9 UWG nicht nur mit Ansprüchen aus einer Marke (die allein beim Handelsgericht angesiedelt seien), sondern auch mit solchen aus der Generalklausel des § 1 UWG, mit jenen nach § 2 UWG oder mit dem Namensrecht nach § 43 ABGB, für die keine ausschließliche Zuständigkeit bestehe. Zudem vermittelten Kennzeichen – anders als Marken – nur für jenes Gebiet ein Ausschließlichkeitsrecht, auf das der Zeichengebrauch ausstrahle, sodass eine regionale Anknüpfung der Zuständigkeit in diesem Bereich zweckmäßig erscheine. Für die vorliegende Klage wegen einer Verletzung der Firma nach § 9 Abs 1 UWG sei daher für die sachliche Zuständigkeit an § 51 Abs 2 Z 10 JN und für die örtliche an § 83c JN und den Unternehmenssitz der Beklagten anzuknüpfen, sodass das Handelsgericht Wien die Klage zu Recht zurückgewiesen habe.

Der OGH hielt diese Rechtsauffassung für zutreffend.

Systematisch ist zwischen „gewerblichem Rechtsschutz“ und „gewerblichen Schutzrechten“ zu unterscheiden. „Gewerblicher Rechtsschutz“ ist der weitere Begriff. Er umfasst außer den in § 51 Abs 1 Z 9 JN aufgezählten Rechten, die unstrittig „gewerbliche Schutzrechte“ sind, auch den gesamten Bereich des Lauterkeitsrechts, also alle Ansprüche nach dem UWG im Sinn des § 51 Abs 1 Z 10 JN.

Damit fällt zwar jedes gewerbliche Schutzrecht in den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes; nicht jeder Anspruch des gewerblichen Rechtsschutzes betrifft aber umgekehrt ein gewerbliches Schutzrecht. Dies gilt insbesondere für die Firma, die einerseits durch § 9 UWG in Form eines gewerblichen Schutzrechts gestärkt ist, darüber hinaus aber auch ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Rechtsschutz (etwa durch § 2 Abs 3 Z 1 UWG) genießt. § 53 JN betrifft aber ausdrücklich nur gewerbliche Schutzrechte.

Ansprüche nach § 9 UWG werden daher nicht von § 53 JN umfasst. Die Klagszurückweisung durch das Handelsgericht Wien als Erstgericht erfolgte somit zu Recht, weshalb dem Revisionsrekurs der Klägerin nicht Folge zu geben war.