OGH-Entscheidung vom 29.1.2019, 4 Ob 213/18d

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine der weltmarktführenden Herstellerinnen von LED-Metalltaschenlampen und vertreibt Taschenlampen der bekannten Marke „LED LENSER“ in großem Umfang auch nach Österreich. Sie ist Inhaberin eines entsprechenden Gemeinschaftsgeschmacksmusters.

Die Beklagte war für die Klägerin als Großhändlerin tätig. Im Jahr 2009 wurde der Beklagten im Rahmen einer Ausschreibung der Zuschlag für die Belieferung der Bundesbeschaffungs GmbH (BBG) mit Taschenlampen der Klägerin erteilt. Die Lampen waren für das Innenministerium, Polizeidienststellen, Feuerwehren und Finanzbehörden vorgesehen.

Im Ausschreibungsverfahren gab die Klägerin eine Patronatserklärung als verbundenes Unternehmen zu Gunsten der Beklagten ab. Ungeachtet ihrer Kenntnis von der Ausschreibung und ihrer vertraglichen Verpflichtung als verbundenes Unternehmen stellte die Klägerin die Belieferung der Beklagten mit Ende 2010 ein. Um den Auftrag an die BBG zu erfüllen, ließ die Beklagte ab 2011 mehrere tausend (leicht abgeänderter) Lampen selbst produzieren. Die Beklagte griff dennoch mit dem neuen Erzeugnis in das geschützte klägerische Design ein. Alternativ wäre es ihr möglich gewesen, sich ein Ersatzprodukt eines anderen Herstellers zu besorgen.

Verfahrensgegenständlich ist die Höhe des gegen die Beklagte nach § 34 MuSchG im Rahmen einer Stufenklage geltend gemachten Verletzergewinns.

Die Klägerin begehrt zuletzt 68.277,86 EUR sA und vertrat den Standpunkt, dass ihr der durch den Eingriffsgegenstand erzielte Gewinn ungeschmälert zustehe.

Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die Klägerin nur den dem Design zuzurechnenden Anteil des Gewinns begehren könne.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht ging von einem Reingewinn von 68.277,86 EUR aus; es bejahte jedoch einen Abzug für die angefallene Gebühr, die Ankaufs- und Materialkosten für das Zubehör, (weitere) Kosten für Verpackung, für Verpackung und Versand, für Serviceleistungen und für Ersatzteile. Unter Anwendung des § 273 ZPO sprach es einen Verletzergewinn von 55.872,10 EUR zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise statt und änderte das Ersturteil dahingehend ab, dass es der Klägerin – ausgehend von einem Reingewinn von 54.109,87 EUR – 5.411 EUR (gerundet 10 %) zusprach. Der Verletzer habe nur jenen Reingewinn herauszugeben, den er aufgrund des widerrechtlichen Eingriffs in das GGM erzielt habe.

Gegen die Abweisung von 48.698,87 EUR erhob die Klägerin außerordentliche Revision und warf die Frage auf, ob bei einer Geschmacksmusterverletzung nach Ermittlung des Reingewinns noch ein weiterer Abschlag vorzunehmen ist. Der OGH hielt das Rechtsmittel zur Klarstellung der Rechtslage zwar für zulässig, aber nicht für berechtigt.

Aus der Begründung:

Das Rechtsmittel wirft die Frage auf, ob bei einer Geschmacksmusterverletzung nach Ermittlung des Reingewinns noch ein weiterer Abschlag vorzunehmen ist. Die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) normiert keinen Anspruch auf Herausgabe des Gewinns. Die Klägerin konnte ihre Klage aber auf § 34 MuSchG stützen. Demnach hat derjenige, der in seinem Musterrecht verletzt worden ist, ua Anspruch auf Herausgabe des Gewinns, wobei § 150 PatG 1970 sinngemäß gilt.

Nach zutreffender Ansicht ist der im Immaterialgüterrecht normierte Anspruch des Verletzergewinns (neben § 34 MuSchG iVm § 150 Abs 2 lit b PatG vgl auch § 87 Abs 4 UrhG, § 53 Abs 2 Z 2 MSchG, § 9 Abs 4 UWG) als Bereicherungsanspruch nach dem Vorbild der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag konzipiert, der – abweichend von den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen – ein Verschulden des Bereicherten voraussetzt.

Der OGH schloss sich der Ansicht des Berufungsgerichts an, dass dem Verletzer jener Anteil des Gewinns zu verbleiben hat, der nicht darauf zurückzuführen ist, dass der Verletzer das fremde Geschmacksmuster verletzt hat. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes steht dem Rechteinhaber die Herausgabe des Gewinns nicht generell zur Gänze zu, sondern eben nur insoweit, als er auf die Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts zurückzuführen ist. Der Gesamtvorteil ist daher auf die Beteiligten aufzuteilen und die Verwendung der Rechtsgüter des Bereicherungsgläubigers durch eine angemessene Vergütung auszugleichen.

Nach der Ansicht des Berufungsgerichts beruht der Verletzergewinn nur in einem untergeordneten Ausmaß auf dem Eingriff in das Geschmacksmuster, was aufgrund der Feststellungen nicht zu beanstanden ist. Sowohl im Vergabeverfahren als auch bei der nachträglichen Überprüfung des von der Beklagten produzierten Modells durch das Innenministerium war die praktische Eignung zur Handhabung der Taschenlampe im dienstlichen Einsatz das entscheidende Kriterium des (praktisch) einzigen Abnehmers, das Design spielte hingegen keine wesentliche Rolle. In der Festsetzung des herauszugebenden Gewinnanteils mit 10 % des Reingewinns liegt kein Verstoß gegen § 273 ZPO.