OGH-Entscheidung vom 21.11.2018, 6 Ob 198/18p

Sachverhalt:

Der Kläger ist Leiter einer im öffentlichen Blickpunkt stehenden Organisation.  Im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wurde der Name des Klägers in einem Zeitungsartikel genannt. Laut diesem Bericht taucht im Zuge der strafbehördlichen Ermittlungen eine Gruppe („Seilschaft“) aus dem Ministeriumsumfeld auf, deren Personen bis heute in wichtigen Positionen sitzen würden. Im Artikel wurde kein konkreter strafrechtlich relevanter Vorwurf gegen den Kläger erhoben. Allfällige Vorwürfe bezogen sich auf einen „Herrn X“ und es wurde zudem ausdrücklich betont, dass gegen den Kläger nicht ermittelt werde und gegen ihn kein strafrechtlicher Vorwurf bestehe. Allerdings wurde die Frage einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Kläger und „Herrn X“ aufgeworfen.

Der Kläger klagte u.a. auf Unterlassung.

Entscheidung:

Die Klage wurde abgewiesen. Auch das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren nicht Folge. Der OGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichtes und wies in seiner Begründung darauf hin, dass es die Funktion der Presse in einer demokratischen Gesellschaft ist, politische Vorgänge kritisch zu beleuchten und verschiedene Positionen zu wesentlichen Vorgängen wiederzugeben. Der Presse muss es dabei möglich sein, ihre vitale Rolle eines „public watchdog“ in einer demokratischen Gesellschaft zu erfüllen. Für Einschränkungen politischer Äußerungen oder Diskussionen in Angelegenheiten des öffentlichen Interesses billigt der EGMR den Vertragsstaaten nur einen sehr engen Beurteilungsspielraum zu.

Unter dem Begriff „Seilschaft“ wird im Allgemeinen eine Gruppe von Personen verstanden, die (im politischen oder wirtschaftlichen Bereich) zusammenarbeiten und sich gegenseitig begünstigen. Dies impliziert nicht zwangsläufig die gemeinsame Begehung von gerichtlich strafbaren Handlungen.

Auch ein aus § 16 ABGB abgeleitetes Recht auf Namensanonymität besteht im vorliegenden Fall nicht:

Ein allgemeines Recht, den „Gebrauch“ des Namens eines anderen im geschäftlichen Verkehr, soweit dies durch bloße Namensnennung geschieht zu unterlassen, besteht nicht. Die allfällige Rechtswidrigkeit einer solchen Namensnennung ergibt sich erst aus dem Inhalt der damit verbundenen Aussage. Der Namensträger hat somit kein uneingeschränktes Recht zu entscheiden, ob sein Name in der Öffentlichkeit genannt werden darf. Dies beruht auf der Überlegung, dass eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit führen würde.

Der Gebrauch des Namens verstößt allerdings gegen § 16 ABGB, wenn die Namensnennung in einer schutzwürdige Interessen des Genannten beeinträchtigenden Weise erfolgt. Eine Verletzung liegt regelmäßig vor, wenn über den Namensträger etwas Unrichtiges ausgesagt wird, das sein Ansehen und seinen guten Ruf beeinträchtigt, ihn bloßstellt oder lächerlich macht. Hat der Betroffene nicht zugestimmt und besteht weder ein gesetzliches Verbot noch eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, hängt die Frage der Rechtswidrigkeit der Namensnennung von einer vorzunehmenden Interessenabwägung ab.

Dabei ist auch die öffentliche Aufgabe der Medien als „public watchdog“ zu berücksichtigen. Ein Missverhältnis zwischen Namensnennung und Informationszweck liegt jedoch etwa bei der Namensnennung in reinen Sensationsberichten vor oder wenn willkürlich Unbeteiligte durch Namensnennung unverschuldet in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten.

Da der Kläger Leiter einer im öffentlichen Blickpunkt stehenden Organisation ist, besteht durchaus ein Interesse der Öffentlichkeit, über Umstände der beruflichen Vergangenheit des Klägers informiert zu werden. Im vorliegenden Fall überwiegt daher das öffentliche Interesse an der Berichterstattung das Interesse des Klägers an der Wahrung seiner Privatsphäre.