OGH-Entscheidung vom 24.5.2018, 6 Ob 82/18d

Sachverhalt:

Das richterliche Protokoll einer Gerichtsverhandlung liefert über den Verlauf und Inhalt der Verhandlung vollen Beweis (soweit nicht ein ausdrücklicher Widerspruch einer Partei vorliegt). Es handelt sich um ein Resümeeprotokoll, das Gang und Inhalt der Verhandlung nur gestrafft wiedergibt. Wer genauere Protokollierung wünscht, kann einen Antrag auf stenographische Aufzeichnung im Sinne des § 280 ZPO stellen.

Dem Verfahren lag ein Streit darüber zugrunde, ob in einem früheren Verfahren im Rahmen der zwischen den dortigen Streitparteien geführten Vergleichsgespräche bereits eine endgültige Einigung erzielt wurde, also auf beiden Seiten Bindungs- bzw Abschlusswille vorlag. Diese Frage haben die Vorinstanzen verneint, ohne jedoch die damals zuständige Richterin einzuvernehmen.

Die Revisionswerberin erblickte eine erhebliche Rechtsfrage unter anderem darin, ob ein richterliches Protokoll ohne Einvernahme des Richters als Beweis des Protokollierten gewertet werden kann. In ihrer Revision stützte sie sich auch auf eine offenbar von ihr angefertigte Tonaufnahme der Verhandlung.

Entscheidung:

Der OGH wies die Revision zurück und führte zu der selbst angefertigten Tonbandaufnahme Folgendes aus:

Analog zum Recht am eigenen Bild (vgl § 78 UrhG) ist in der Judikatur auch das „Recht am eigenen Wort“ anerkannt, das aus § 16 ABGB abgeleitet wird. Der Schutzbereich des zivilrechtlichen „Rechts am gesprochenen Wort“ geht über § 120 StGB hinaus. Die Tonbandaufnahme einer Besprechung ohne Zustimmung des Gesprächspartners ist daher rechtswidrig. Gleiches gilt für die Aufnahme von Telefongesprächen.

Eine heimliche Aufnahme durch den Gesprächspartner widerspricht den Interessen des Sprechenden, da flüchtige, keineswegs stets wohlüberlegte Worte festgehalten würden. Schon alleine durch die Möglichkeit der Verbreitung würde die Vertraulichkeit des Gesprächs zerstört werden und die heimliche Aufnahme in jedes Gespräch Misstrauen einführen. Es würde eine schwere Beeinträchtigung des Menschen in der Entfaltung seiner Persönlichkeit bedeuten, wenn ein Gesprächspartner befürchten müsse, dass durch eine Aufnahme ohne sein Wissen jede Wendung des Gesprächs, aber auch der Klang seiner Stimme mit allen Besonderheiten und Unvollkommenheiten festgehalten werde. Mit dieser Befürchtung wäre untrennbar das Gefühl ständigen Argwohns und Misstrauens verbunden. Wer eine heimliche Tonaufnahme eines Gesprächs befürchten müsse, werde kaum mehr unbefangen sprechen.

Dass eine Gerichtsverhandlung im Zivilverfahren grundsätzlich öffentlich ist, steht dem nicht entgegen, weil zwischen dem Zuhören durch eine Person und der Aufnahme auf einem Aufnahmegerät doch erhebliche Unterschiede bestehen, insbesondere in Bezug auf die Möglichkeit dauerhafter Speicherung und die Weiterverbreitungsmöglichkeiten. Die Möglichkeit einer heimlichen Tonbandaufnahme würde dazu führen, dass Parteien oder Zeugen nicht mehr in gleicher Weise wie bisher unbefangen sprechen, weil sie befürchten müssen, dass jede allenfalls unexakte Formulierung, jedes Zögern und jede Unsicherheit auf einem Tonträger festgehalten wird.

Aus diesem Grund ist selbst die stenographische Aufzeichnung in § 280 ZPO an die Zustimmung des Gerichts gebunden. Dies muss umso mehr für Tonaufnahmen gelten. Auch eine öffentliche Gerichtsverhandlung darf daher grundsätzlich nicht ungefragt aufgenommen werden, sofern nicht zumindest ein schlüssiges Einverständnis der Anwesenden eingeholt wurde. Zur Vermeidung von Missverständnissen und von zivil- wie disziplinärer Verantwortlichkeit ist die Einholung einer ausdrücklichen Zustimmung aller Beteiligten zweckmäßig.