OGH-Entscheidung vom 17.7.2018, 4 Ob 14/18i

Sachverhalt:

Der Kläger ist Rechtsanwalt und vertritt einen Glücksspielkonzern.

Der Beklagte ist nicht Rechtsanwalt und besitzt keine Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung. Er ist Medieninhaber der Website www.automaten-klage.at.

Zwischen dem Beklagten und dem Glücksspielkonzern kommt es seit vielen Jahren immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, wobei sich der Beklagte als „Spielerschützer“ für die Rechte der durch Spielen an Glücksspielautomaten des vom Kläger vertretenen Konzerns Geschädigten einsetzt. Seine Unterstützung bietet er vor allem auf seiner Website an. Für seine Leistungen verlangt er einen Teil des erstrittenen Betrags als Entgelt (quota litis Vereinbarung).

Der Rechtsanwalt klagte auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung. Der Beklagte biete seine Dienste zur Zurückforderung von Spielverlusten an und er erläutere potentiellen Klägern, wie sie vorgehen müssten, um ihre Rechtsansprüche gegen den Glücksspielkonzern durchzusetzen. Er biete damit außergerichtliche Rechtsberatung an, wobei er öffentlich zugestehe, dass er diese Rechtsberatung nur entgeltlich anbiete. Interessenten müssten in der Regel 20-33 % ihrer Forderung als Entgelt für die juristische Beratungstätigkeit abtreten. Der Beklagte handle in der Absicht, Einnahmen zu lukrieren. Damit verstoße er gegen § 8 RAO und die Winkelschreiberei-VO. Er verwirklicht damit einen Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Zwischen den Parteien bestehe ein Wettbewerbsverhältnis, da der Beklagte in den Anwaltsvorbehalt eingreife.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab dem Unterlassungsbegehren jedoch im Hinblick auf die Ausübung der einem Rechtsanwalt vorbehaltenen Tätigkeiten Folge. Die quota litis-Vereinbarungen des Beklagten befand das Berufungsgericht für zulässig. Beide Streitparteien erhoben gegen diese Entscheidung Revision.

Die Revision des Beklagten hielt der OGH für nicht zulässig. Aus der Begründung:

Der Vertretungsvorbehalt der Rechtsanwälte erfasst die berufsmäßige, also regelmäßige und auf Gewinn gerichtete Parteienvertretung. Ihr Vertretungsrecht schließt dabei auch das Beratungsrecht in sich, weil eine Vertretung ohne vorhergehende Beratung kaum denkbar ist. Die umfassende Rechtsberatung ist daher Rechtsanwälten vorbehalten. Ob eine derartige Beratungstätigkeit ausgeübt wird, kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und wirft daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Der Beklagte bewirbt auf seiner Homepage eine umfassende Betreuung durch die Setzung rechtlicher Schritte gegen Spielverluste. Er bietet zwar auch an, Rechtsanwälte zu „empfehlen“, jedoch auch, „für“ und „mit“ dem Geschädigten „seine Klage“ einzureichen. Als Referenz führt er ein Verfahren an, in dem der vom Kläger vertretene Konzern zur Rückzahlung von Spielverlusten an „von uns“ vertretene Spieler verpflichtet worden sei. Dass der Beklagte damit eine dem Vertretungsmonopol der Rechtsanwälte unterfallende, umfassende Rechtsberatung angeboten hat, begründet daher keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts. Die Behauptung des Beklagten, der Verstoß sei ihm „subjektiv nicht vorwerfbar“ verkennt, dass es darauf seit der UWG Novelle 2007 nicht mehr ankommt. Maßgeblich ist vielmehr die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht, wie sie sich aus Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm und einschlägiger Rechtsprechung ergibt. Die Revision des Beklagten wurde vom OGH daher als unzulässig zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers wurde hingegen vom OGH für zulässig und berechtigt befunden: Der Kläger hielt am Vorwurf fest, dass der Beklagte entgegen dem Verbot des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB pacta de quota litis für seine  Leistungen abschloss.

Der vorrangige Schutzzweck des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB besteht darin, dass der Anwalt die Ungewissheit des Prozessausgangs, dessen Aussichten für den Klienten schwieriger abzuschätzen sind als für ihn selbst, spekulativ ausnützen könnte. Diese Gefahr besteht bei Winkelschreiberei, die nur bei gewerbsmäßiger Begehung vorliegt, zumindest im selben Ausmaß, und zwar unabhängig davon, ob der Winkelschreiber behauptet, Rechtsanwalt zu sein, oder ob er fälschlich den Anschein erweckt, außerhalb des Vertretungsmonopols der Rechtsanwälte zu handeln.

Die Rechtsprechung hat unter dem Begriff „Rechtsfreund“ im Sinn des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB zunächst nur Rechtsanwälte verstanden, dann aber auch Notare, Steuerberater, Buchprüfer und Wirtschaftsprüfer darunter subsumiert, also einen Personenkreis, für den – den anwaltlichen Standespflichten vergleichbare – Standesregeln bestehen. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung auf andere (nicht zur berufsmäßigen Standesvertretung gehörende) Berufe wurde hingegen abgelehnt.

In einer früheren Entscheidung hat der OGH das Verbot des pactum de quota litis jedoch auch auf den Fall übertragen, dass ein Nichtberechtigter unter der Vorspiegelung, dazu befugt zu sein, gewerbsmäßig Leistungen erbringt, die einer bestimmten Berufsgruppe vorbehalten sind.  Begründet wurde dies unter anderem mit einem Verweis auf die Rechtsprechung zum Scheinkaufmann. Diese Entscheidung hält in ihrer conclusio ausdrücklich fest, dass es ausreicht, wenn der Nichtberechtigte den Anschein erweckt, zu der Leistung befugt zu sein. Ein derartiger Anschein kann aber nicht nur durch die Vorspiegelung bewirkt werden, der Leistende sei selbst Rechtsanwalt, sondern auch durch die (zumindest konkludente) Zusicherung, die fragliche Leistung falle unter keinen Vertretungsvorbehalt und dürfe daher von jedermann erbracht werden.

Dass der Beklagte zumindest schlüssig den Anschein erweckte, diese Leistungen auch befugterweise anbieten zu dürfen, ergibt sich eindeutig aus den Werbetexten der Website. Auch für den Beklagten gilt daher das Verbot des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB.