OGH-Entscheidung vom 25.9.2018, 4 Ob 162/18d

Sachverhalt:

Die Klägerin vermittelt Taxifahrten und übt zudem das Mietwagengewerbe aus. Die Vermittlungstätigkeit der Klägerin erfolgt insbesondere über Telefon sowie auch über eine Smartphone-App.

Die Beklagte (UBER) betreibt eine elektronische Vermittlungsplattform, auf der registrierte Nutzer unter Verwendung einer Smartphone-App Beförderungsdienste bei Mietwagen-Partnerunternehmen der Beklagten buchen können. Dafür stellt die Beklagte ein Vermittlungssystem mittels einer Technologie bereit, mit deren Hilfe die Anfrage eines Kunden um eine Beförderungsleistung an registrierte Partner (Mietwagenunternehmer) übermittelt wird, wobei Mietwagenunternehmer und Fahrer gleichzeitig elektronisch über den Eingang einer Bestellung informiert werden. Der Mietwagenunternehmer kann einer Fahrtanfrage widersprechen.

Ein Nutzer kann über die UBER-App unter Angabe von Anfangs- und Endpunkt eine Mietwagenfahrt bestellen. Der Fahrpreis wird von der Beklagten beim Nutzer eingehoben und (nach dem Abzug einer Provision) teilweise an den Mietwagenunternehmer weitergeleitet. Bei Anwendung des Taxitarifs wäre für die Fahrten jeweils ein höheres Fahrtentgelt angefallen.

Das Taxiunternehmen klagte auf Unterlassung und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Klägerin warf der Beklagten u.a. vor, mit dem von ihr angebotenen Vermittlungssystem einen Verstoß ihrer Mietwagen-Partner gegen die Vorschriften für das Mietwagen-Gewerbe zu fördern.

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH schränkte das Unterlassungsgebot zwar ein, bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen jedoch zum Großteil. Aus der Begründung:

Zunächst hielt der OGH fest, dass es sich beim hier zu beurteilenden UBER-System um eine Verkehrsdienstleistung handelt (und nicht um einen Dienst der Informationsgesellschaft nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr).

Für die Durchführung von Personenbeförderungen mittels PKW stehen zwei unterschiedliche Systeme, nämlich das Taxi-Gewerbe einerseits und das Mietwagen-Gewerbe andererseits zur Verfügung. Ein Taxi kann von jeder Person an öffentlichen Orten in Anspruch genommen oder angefordert werden. Innerhalb der Tarifgebiete sind die Taxameter zu verwenden, sodass die Tarife vorgegeben sind und eingehalten werden müssen. Demgegenüber erfordert eine Mietwagenfahrt unter Bereitstellung eines Lenkers eine gesonderte Bestellung der Fahrt beim Mietwagen-Unternehmer. Nach Durchführung des Transports muss der Mietwagen grundsätzlich wieder zur Betriebsstätte des Mietwagen-Unternehmers zurückkehren. Das Entgelt für die Mietwagenfahrt unterliegt der freien Vereinbarung.

Die hier maßgebende Bestimmung des § 36 Abs 3 WrLBO lautet:

Besondere Bestimmungen für das mit Personenkraftwagen betriebene Mietwagen-Gewerbe

Die Aufnahme der Fahrgäste darf nur am Standort (in der Betriebsstätte) des Gewerbetreibenden oder an dem Ort erfolgen, der aufgrund einer in der Wohnung oder Betriebsstätte des Gewerbetreibenden eingegangenen Bestellung für die Fahrgastaufnahme vorgesehen ist. Dies gilt auch für Kraftfahrzeuge, die mit Funk oder Autotelefon ausgestattet sind. Mit Mietwagen ist nach Beendigung des Auftrags wieder zu einer Betriebsstätte des Gewerbetreibenden zurückzukehren. Bei Leerfahrten dürfen Fahrgäste nicht aufgenommen werden, es sei denn, es handelt sich um eine in der Betriebsstätte oder in der Wohnung des Gewerbetreibenden eingelangte Bestellung auf Abholung von Fahrgästen.“

Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung muss einer Aufnahme von Fahrgästen an einem beauftragten Abholort eine beim Gewerbetreibenden eingegangene Bestellung zugrunde liegen. Dies gilt auch für eine Aufnahme an einem beauftragten Abholort anlässlich einer Leerfahrt; aus der Rückkehrpflicht folgt, dass es sich bei einer solchen Leerfahrt um eine „Heimfahrt“ (zur Betriebsstätte) nach einem beauftragten Kundentransport handelt. Eine „spontane“ Aufnahme von Fahrgästen ist untersagt.

Die Anordnung, dass die Bestellung beim Gewerbetreibenden einlangen muss, entspricht dem Prinzip, dass die Entscheidung, ob die angefragte Fahrt durchgeführt wird oder nicht, beim Unternehmer liegt. Nach dem Zweck der Bestimmung hat der Unternehmer – nach Maßgabe wirtschaftlicher Überlegungen – über die Durchführung der Fahrten zu disponieren. Der Unternehmer hat somit die Entscheidung zu treffen und diese – im Sinn einer Arbeitsanweisung bzw eines Fahrtauftrags – an den Fahrer weiterzuleiten. Der Auftrag an den Fahrer hat von der Wohnung oder Betriebsstätte des Unternehmers auszugehen. Wie der Unternehmer die von ihm getroffene Entscheidung an den Fahrer technisch weiterleitet, bleibt unerheblich.

Die bloße Information des Unternehmers über die vom Fahrer angenommene Fahrt über das Vermittlungssystem der Beklagten entspricht diesen Anforderungen nicht. Bei deren System trifft die Entscheidung über die Durchführung der gewünschten Fahrt nicht der Mietwagenunternehmer. Hinzu kommt, dass beauftragte Fahrten nicht nur bei Leerfahrten zur Betriebsstätte angenommen werden, sondern sich die Fahrer zwischen der Beendigung eines Transports und der Durchführung eines neuen Transports nicht auf die Rückfahrt zur Betriebsstätte begeben. Auch diese Vorgangsweise widerspricht § 36 Abs 3 WrLBO.

Durch die Verwendung des hier zu beurteilenden Vermittlungssystems der Beklagten verstoßen die Mietwagen-Partner der Beklagten somit gegen § 36 Abs 3 WrLBO.  Die Beklagte trägt zu den Normverstößen bei, indem sie diese durch die Bereitstellung der UBER-App ermöglicht und fördert. Damit ist sie Gehilfin der Mietwagenunternehmer. Der Unterlassungsanspruch richtet sich nach der Rechtsprechung auch gegen denjenigen, der einen anderen zu einem lauterkeitswidrigen Verhalten veranlasst, dieses bewusst fördert oder für sich ausnützt, und auf dessen maßgeblichen Willen es beruht.

Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Nach der Rechtsprechung ist eine Rechtsauffassung dann unvertretbar, wenn ihr ein klarer Gesetzeswortlaut, die offenkundige Absicht des Gesetzgebers, die Rechtsprechung der zuständigen Höchstgerichte oder die einschlägige Spruchpraxis der zuständigen Behörden entgegensteht.

Der zugrunde liegende Normenverstoß und die daraus resultierenden Wettbewerbsverletzungen sind dazu geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern der Mietwagenunternehmer nicht bloß unerheblich zu beeinflussen. Nach dem bescheinigten Sachverhalt wären die Taxientgelte für die vom Erstgericht festgestellten Fahrten mit Mietwagen-Partnern der Beklagten jeweils höher gewesen. Die Inanspruchnahme des Vermittlungssystems der Beklagten ist demnach jedenfalls geeignet, die Nachfrage nach Personentransporten von Taxi-Unternehmern zu den Mietwagen-Partnern der Beklagten zu verlagern.

Der OGH kam daher zu dem Ergebnis, dass die Vorinstanzen den Beitrag der Beklagten zum Rechtsbruch ihrer Mietwagen-Partner zu Recht bejahten.